Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Die Geldmaschine Big Pharma hat ausgedient
AOK-Studie zur Zukunft der Prävention setzt auf individualisierte Maßnahmen und Behandlungen
240 Milliarden Euro – so viel geben die gesetzlichen Krankenkassen jährlich für Kranke aus. „Unser System ist auf das Kurieren ausgelegt“, sagt Stefan Knupfer, Vizevorstand bei Thüringens größter Krankenkasse AOK plus. Bei sinkender Bevölkerungszahl und einer älteren Bevölkerung stoße man an Grenzen. Mit anderen fragt der 59-Jährige in einer Studie, wie ein Paradigmenwechsel von der Krankheitsversorgung hin zu Prävention und Gesunderhaltung gelingen kann.
Mitmachen sollen nicht nur Versicherte und Versicherer, sondern auch der Staat. Prävention beginne bei der Städteplanung. Gesundheit entstehe nur im gesunden und lebendigen Umfeld. Kontrollierte Luftströme könnten bei künftigen Pandemien oder Grippewellen die Ansteckungsgefahr reduzieren, so die Experten. Bei den Klassikern „mehr Bewegung“, „gesündere Ernährung“und „weniger Stress“sollen Betriebe frühzeitig mit einsteigen. Die Zukunft ist schon da, so die Studie. Von Fitness-Armbändern, die permanent Gesundheitsdaten erzeugen, profitierten bislang nur Google & Co.. Künstliche Intelligenz ermögliche individualisierte Prävention und Behandlung.
Dafür müssten alle bereit sein, Daten weiterzugeben. Corona und die Entwicklung moderner mRNAImpfstoffe zeigten, was möglich ist.
Nach dem Baukastenprinzip könnten bald Mittel gegen Krebs folgen. Warum also nicht in Forschungen investieren, um chronische Krankheiten zu heilen. Für die Pharmaindustrie bedeute das das Aus ihres herkömmlichen Geschäftsmodells.
„Die Geldmaschine Big Pharma hat ausgedient. Medikamente, die einmal als Patent angemeldet, über Jahre hinweg durch die Verabreichung an Millionen Menschen kontinuierlich Gewinn abwerfen, werden durch personalisierte Medizin und individualisierte Therapien für immer kleinere Zielgruppen ersetzt“, hofft Knupfer und betont gleichzeitig, dass es auch in dieser Branche engagierte Verfechter des Transformationsprozesses gibt. Bei alledem plädiert er für mehr Mut.
Gedacht werden müsse vom Bedarf, nicht vom Angebot her. Überangebote oder ineffiziente Krankenhausstrukturen gehörten auf den Prüfstand. Knupfers Idee: Einer Pilotregion einen festen Betrag stellen und engagierte Akteure neue Wege gehen lassen. „Geld ist da, es sollte aber anders ausgegeben werden“, sagt der AOK-Vize.