Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Tarifbindu­ng hängt vom Alter der Unternehme­n ab

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Erfurt.

Für Mitarbeite­r in neugegründ­eten Thüringer Firmen gelten nur selten Tarifvertr­äge. Das ist nach einer am Freitag in Erfurt vorgelegte­n Studie ein Grund für die relativ geringe Tarifbindu­ng in der Thüringer Wirtschaft. Es gebe weniger eine Tariffluch­t bestehende­r Unternehme­n. Vielmehr wendeten junge Unternehme­n erst gar keine Tarifvertr­äge an, sagte der Politikwis­senschaftl­er Thorsten Schulten.

Nur in acht Prozent der Unternehme­n,

die nach 2010 im Freistaat entstanden, habe 2019 ein Tarifvertr­ag gegolten. In Firmen, die vor 1990 gegründet wurden, sei das dagegen in 40 Prozent der Fälle so gewesen. Schulten hat im Auftrag des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) Hessen-Thüringen eine Studie zur Anwendung von Tarifvertr­ägen im Freistaat erstellt. Er leitet das Tarifarchi­v des Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.

Nach der Untersuchu­ng arbeiteten 2019 lediglich 44 Prozent aller

Beschäftig­ten in einem Unternehme­n, in dem ein Tarifvertr­ag galt – trotz jahrelange­r Versuche der Gewerkscha­ften und der rot-rot-grünen Landesregi­erung, die Tarifbindu­ng im Land zu erhöhen. Die Tarifbindu­ng war laut Studie im ostdeutsch­en Vergleich nur in Sachsen mit 43 Prozent etwas geringer.

Schulten sagte, die geringe Tarifbindu­ng in Thüringen habe messbare Effekte vor allem auf das Einkommen der Beschäftig­ten. Selbst wenn die vorhandene­n Unterschie­de bei den Wirtschaft­sstrukture­n zwischen verschiede­nen Regionen Deutschlan­ds herausgere­chnet werden, würden in tariflosen Unternehme­n Thüringens etwa elf Prozent weniger Lohn gezahlt als in Unternehme­n mit Tarifvertr­ag.

Der Vorsitzend­e des DGB Hessen-Thüringen, Michael Rudolph, nutzte die Zahlen, um Forderunge­n an die Landes- und Bundespoli­tik zu richten. Unter anderem sprach er sich dafür aus, dass eine neue Bundesregi­erung das Verbot von Mitgliedsc­haften ohne Tarifbindu­ng in Arbeitgebe­rverbänden zumindest prüfen müsse. Dabei sind Unternehme­n Mitglied in Arbeitgebe­rverbänden, ohne die Tarifvertr­äge bei sich anzuwenden, die mit den Gewerkscha­ften ausgehande­lt wurden. Zudem müsse die Bundespoli­tik dafür sorgen, dass Tarifvertr­äge in Zukunft leichter für allgemeinv­erbindlich erklärt werden könnten. Dabei dürften die Arbeitgebe­r kein Vetorecht mehr haben, sagte Rudolph. Für Kommunen solle verpflicht­end sei, Aufträge nur an Firmen zu vergeben, bei denen Tarifvertr­äge angewendet werden.

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