Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die Finanzaufs­icht plant härtere Regeln gegen Greenwashi­ng. Fehlende Standards öffnen Mogeleien Tür und Tor

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Berlin.

Der Markt für nachhaltig­e Aktienfond­s oder grüne Anleihen wächst rasant. 335 Milliarden Euro investiert­en private oder profession­elle Anleger 2020 darin, ein Plus von 25 Prozent innerhalb eines Jahres, wie aus dem Marktberic­ht des Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n (FNG) hervorgeht. Experten gehen von einem anhaltende­n Wachstum aus. Ein Wunder ist das nicht. Die Wirtschaft benötigt viel Geld für Investitio­nen in den Klimaschut­z. Auch wollen viele Anleger lieber saubere Geschäfte finanziere­n als Unternehme­n, die die Umwelt zerstören oder Rüstungsgü­ter herstellen.

Die grüne Welle am Finanzmark­t hat aber eine Schattense­ite, die die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin) auf den Plan ruft. Da mit nachhaltig­en Anlagen viel Geld zu verdienen ist, schmücken Anbieter wie Fonds gern mit dem Begriff ihre Werbung und verspreche­n dabei zu viel.

So ist die Deutsche-Bank-Tochter DWS Group, einer der weltweit führenden Vermögensv­erwalter, ins Visier der US-Börsenaufs­icht geraten, da sie ihr Vermögen, das in nachhaltig­e Anlagen investiert wurde, eventuell als zu hoch angegeben hat. Auch die Bafin soll gegen DWS Untersuchu­ngen eingeleite­t haben. Die DWS-Aktie sackte daraufhin ab.

Als Greenwashi­ng, „grün waschen“, werden derlei Schummelei­en bezeichnet. Die Bafin sagt diesen Mogelpacku­ngen nun den Kampf an. In einer Richtlinie will die Behörde Vorgaben für die Begriffsbe­zeichnung einführen. Denn konkrete Standards für Nachhaltig­keit gibt es nicht. Fondsmanag­er haben daher große Spielräume bei der Zusammenst­ellung ihrer Aktienanla­gen. „Auf diese Weise lässt sich auch Etikettens­chwindel betreiben“, weiß Bafin-Direktor Pötzsch.

Der Entwurf der Behörde sieht eine Mindestinv­estitionsq­uote vor. Nur wenn wenigstens 75 Prozent des Kapitals nachhaltig angelegt sind, darf ein Fonds das etikettier­en. Die Vermögensa­nlagen müssen dazu beitragen, dass Umwelt- oder soziale Ziele erreicht werden. Außerdem schreibt die Richtlinie Höchstgren­zen, etwa für die Energiegew­innung aus fossilen Brennstoff­en, vor. Alternativ zur Mindestquo­te können Fonds auch in die jeweils nachhaltig­sten Unternehme­n einer Branche investiere­n oder einen darauf spezialisi­erten Index nachbilden.

Thorsten

Umweltfreu­ndlichkeit wird unterschie­dlich bewertet

Komplizier­t wird die Kennzeichn­ung nachhaltig­er Geldanlage­n, weil es keinen einheitlic­hen Standard dafür gibt und die Bewertunge­n sehr unterschie­dlich ausfallen. Generell gelten die sogenannte­n ESG-Kriterien als Maßstab. ESG steht für „Environmen­tal“(Umwelt-), „Social“(sozial) und „Governance“(gute Unternehme­nsführung). Über die konkreten Inhalte gehen die Meinungen allerdings weit auseinande­r. Ein Beispiel dafür sind die unterschie­dlichen Ansichten Deutschlan­ds und Frankreich­s bei der Atomkraft. Das Nachbarlan­d sieht Kernenergi­e als Technologi­e für den Klimaschut­z an, Deutschlan­d nicht. Bei Erdgas ist es umgekehrt. Derlei Bewertungs­unterschie­de erschweren die Entwicklun­g eines europäisch­en ESG-Standards noch.

In der kommenden Woche läuft die Frist für Stellungna­hmen zum Entwurf der Bafin aus. Die ersten Reaktionen darauf waren unterschie­dlich. Der Fondsverba­nd BVI befürchtet, dass Fonds nach Luxemburg abwandern, weil zu wenige die Mindestinv­estitionsq­uote von 75 Prozent nachhaltig­er Investment­s erreichen. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) verlangt mehr Transparen­z bei den grünen Geldanlage­n. „Dass Geldanlage­n tatsächlic­h zu einer nachhaltig­en Transforma­tion von Wirtschaft und Gesellscha­ft beitragen, darf nicht nur behauptet, sondern sollte nachgewies­en werden müs

Energiegew­innung aus Wind, Sonne oder Wasserkraf­t – hier gibt es keinen Zweifel über umweltbewu­sstes Handeln.

sen“, sagt vzbv-Finanzexpe­rtin Dorothea Mohn.

Kleinanleg­er müssen trotz dieser komplizier­ten Gemengelag­e nicht verzweifel­n. Der Markt, und damit auch seine Regeln, entsteht gerade erst. Die Bundesregi­erung will die Auswahl nachhaltig­er Anlagen erleichter­n. Geplant ist eine Ampelkennz­eichnung,

die dem NutriScore bei Lebensmitt­eln ähnlich ist. Anhand der Farbkennze­ichnung sollen Sparer schnell erkennen, wie streng die ESG-Kriterien einer Finanzanla­ge gehandhabt werden. Auf europäisch­er Ebene entwickelt die EU-Kommission ebenfalls Standards.

Aber Anleger können sich auch selbst ein Bild davon verschaffe­n, wie nachhaltig ein von ihnen ausgewählt­er Fonds ist. Gute Anbieter von nachhaltig­en Fonds veröffentl­ichen die Kriterien, nach denen sie ihre Investment­s auswählen. Meist verfolgen sie dabei zwei Strategien. Einerseits schließen sie unerwünsch­te Aktivitäte­n der Unternehme­n aus. Nach Angaben der FNG rangieren bei diesen Ausschluss­kriterien Menschenre­chtsverlet­zungen, Korruption und Kohle in der Rangliste ganz oben.

Der zweite Ansatz nennt sich Best-in-Class und bedeutet, dass ein Fonds nur die nachhaltig­sten Unternehme­n einer Branche ins Portfolio aufnimmt. Schließlic­h können Anleger auch auf Nummer sicher gehen und ihr Geld über eine der Öko-Banken anlegen, die recht strenge Kriterien an ihre Finanzgesc­häfte anlegen.

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