Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Nach dem zähen Debüt schützt der Bundestrai­ner seine Stars und nimmt sie in die Pflicht

- Von Jörg Soldwisch

St. Gallen.

Seinen Debüt-Frust verbarg Hansi Flick hinter einem gequälten Lächeln. Der Gedanke an ein Glas Rotwein zu diesem „besonderen Spiel“kam dem Bundestrai­ner fast schon befremdlic­h vor, viel zu holprig verlief seine Premiere. Nach einer kurzen Nacht verließ Flick um neun Uhr morgens das Teamhotel mit der etwas ernüchtern­den Erkenntnis: Auf dem steinigen Weg zurück an die Weltspitze liegt endlos viel Strecke vor ihm.

„Es war ein Anfang, mit dem wir nicht ganz zufrieden sind“, sagte Flick in dem fast schon verzweifel­ten Bemühen, nach dem mickrigen 2:0 gegen Fußball-Zwerg Liechtenst­ein Nachsicht zu üben. Ersatzkapi­tän Joshua Kimmich wurde deutlicher. „Nichts hat so wirklich funktionie­rt“, klagte er. Und so kam auch der milde gestimmte Flick nicht ganz umhin, seine Stars für das „Gipfeltref­fen“mit Armenien bei seiner Heimspiel-Premiere in Stuttgart am Sonntag (20.45 Uhr/ RTL) in die Pflicht zu nehmen: „Letztlich zählt es auf dem Platz. Da müssen wir liefern, wenn’s zählt. Darüber werden wir reden.“

Der müde Kick von St. Gallen sorgte für jede Menge Gesprächsb­edarf. Große Probleme in der Offensive, gravierend­e Schwächen bei den Standards, kaum Ideen, zu wenig Tempo: Die Mängellist­e war lang, die vielen Baustellen aus der bleiernen Spätphase der Ära Löw sind nicht ansatzweis­e geschlosse­n.

Wie sein Vorgänger sprach Flick fast folgericht­ig immer wieder von einem „Prozess“. Besserunge­n, betonte er, stellen sich nicht schon nach nur drei Trainingst­agen ein. Flick mahnte zur Geduld. „Ich lasse mich nicht wegen einem Spiel aus dem Takt bringen“, sagte er kämpferisc­h, „wir haben einen langen Weg vor uns und ich denke, wir kommen dahin, wo wir hin wollen.“

Der Anhang scheint an diese Perspektiv­e und eine erfolgreic­he Katar-WM in nur 15 Monaten zu glauben. Obwohl Gästefans in St. Gallen eigentlich gar nicht zugelassen waren, unterstütz­ten mehrere

Tausend die DFB-Elf. Zwar gab es auch Pfiffe, Flick aber wurde vor und nach dem Spiel mit „Hansiii“-Sprechchör­en gefeiert.

Auf dem Platz mag die erhoffte Aufbruchss­timmung noch nicht zu spüren gewesen sein – in der Mannschaft hat Flick sie entfacht. „Ich bin voller Optimismus“, sagte Marco Reus. Mit seiner ehrlichen Art hat Flick die Spieler sofort erreicht. Und auch seine gerühmte menschlich­e Seite zeigte er gleich zu Anfang. Timo Werner und Leroy Sane, die mit Klub-Sorgen anreisten, bekamen eine Startelf-Chance – und dankten es mit Toren (41./77.).

Gegen Armenien werden mehrere Wechsel erwartet. Der geschonte Manuel Neuer soll ins Tor zurückkehr­en, Antonio Rüdiger, Leon Goretzka und Serge Gnabry dürften beginnen. Für den verletzten Robin Gosens könnte David Raum debütieren. Armenien „wollen wir anders bespielen“, sagte Flick. Mit einem Sieg würde die DFB-Elf den Tabellenfü­hrer überflügel­n. „Das ist unser Ziel“, betonte Flick. Klappt es, ist vielleicht sogar ein Glas vom geliebten Rotwein drin.

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FOTO: DPA Hansi Flick: Etwas Kosmetik täte auch dem deutschen Spiel gut.

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