Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Heimatgefühle aus dem Unterholz
Kunstfest-Projekt über Raubbau an der Natur
Und plötzlich sitzt man allein im Wald, fühlt sich weggebeamt aus der Versandhalle einer Weimarer Brauerei ans andere Ende der Welt, nach Papua, Indonesien. Das Dschungel-Gefühl ist dank perfektem 360-Grad-Rundumblick recht vollständig, aber harmlos. Blinde Flecken im Bild rühren von Schlieren auf dem Okular der VR-Brille her. Stimmen aus dem Unterholz beklagen den Verlust der Heimat. Sie gehören Indigenen, die man aus Land und Lebensweise ihrer Ahnen vertrieben hat, um in großen Gruben Kupfer und Gold zu schürfen.
Zwei Stationen weiter: wieder Wald. Diesmal irgendwo südlich von Leipzig, wo abermals Einheimische den harschen Eingriff in die Natur und die fundamentale Umgestaltung des Lebensraums bejammern. Hier ging’s um die Kohle; inzwischen ist der Tagebau weitgehend, doch offenbar unbefriedigend renaturiert worden. An vier weiteren Stationen nimmt man als Besucher Platz zwischen alten und neuen Hütten und Häusern. Wie sich die Bilder doch gleichen.
In Räumen zwischen den Stationen erleben die Kunstfest-Gäste Installationen und Interventionen von Künstlern, die den profitgierigen Raubbau an der Natur anprangern. „Gold & Coal“ist der erste von fünf Teilen des Projekts „Landscapes and Bodies“, kreiert vom Autorenkollektiv Kötter/Israel/Limberg. Sie kritisieren, wie der Bergbau Mutter Erde und den ihr vertrauten Bewohnern Scharten zugefügt hat, sehr pauschal, ja eigentlich nur durch die Betroffenen-Brille.
Das scheint allzu naiv-romantisch und in dieser oberflächlichen Grundsätzlichkeit leider auch töricht. Denn ohne den Bergbau und seine Rohstoffe säße die Menschheit noch in der Steinzeit – und gäbe es auch solche Kunstprojekte nicht.
Die weiteren Projekt-Aufführungen: Heute, 11 Uhr: „Gold & Coal“; 18 Uhr: „Water & Coltan“; 19.30 Uhr: „Oil Shale“. Sonntag, 5. September, 11 Uhr: „Water & Coltan“. Ehringsdorfer Brauerei, Weimar, Hainweg 13