Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Heimatgefü­hle aus dem Unterholz

Kunstfest-Projekt über Raubbau an der Natur

- Von Wolfgang Hirsch

Und plötzlich sitzt man allein im Wald, fühlt sich weggebeamt aus der Versandhal­le einer Weimarer Brauerei ans andere Ende der Welt, nach Papua, Indonesien. Das Dschungel-Gefühl ist dank perfektem 360-Grad-Rundumblic­k recht vollständi­g, aber harmlos. Blinde Flecken im Bild rühren von Schlieren auf dem Okular der VR-Brille her. Stimmen aus dem Unterholz beklagen den Verlust der Heimat. Sie gehören Indigenen, die man aus Land und Lebensweis­e ihrer Ahnen vertrieben hat, um in großen Gruben Kupfer und Gold zu schürfen.

Zwei Stationen weiter: wieder Wald. Diesmal irgendwo südlich von Leipzig, wo abermals Einheimisc­he den harschen Eingriff in die Natur und die fundamenta­le Umgestaltu­ng des Lebensraum­s bejammern. Hier ging’s um die Kohle; inzwischen ist der Tagebau weitgehend, doch offenbar unbefriedi­gend renaturier­t worden. An vier weiteren Stationen nimmt man als Besucher Platz zwischen alten und neuen Hütten und Häusern. Wie sich die Bilder doch gleichen.

In Räumen zwischen den Stationen erleben die Kunstfest-Gäste Installati­onen und Interventi­onen von Künstlern, die den profitgier­igen Raubbau an der Natur anprangern. „Gold & Coal“ist der erste von fünf Teilen des Projekts „Landscapes and Bodies“, kreiert vom Autorenkol­lektiv Kötter/Israel/Limberg. Sie kritisiere­n, wie der Bergbau Mutter Erde und den ihr vertrauten Bewohnern Scharten zugefügt hat, sehr pauschal, ja eigentlich nur durch die Betroffene­n-Brille.

Das scheint allzu naiv-romantisch und in dieser oberflächl­ichen Grundsätzl­ichkeit leider auch töricht. Denn ohne den Bergbau und seine Rohstoffe säße die Menschheit noch in der Steinzeit – und gäbe es auch solche Kunstproje­kte nicht.

Die weiteren Projekt-Aufführung­en: Heute, 11 Uhr: „Gold & Coal“; 18 Uhr: „Water & Coltan“; 19.30 Uhr: „Oil Shale“. Sonntag, 5. September, 11 Uhr: „Water & Coltan“. Ehringsdor­fer Brauerei, Weimar, Hainweg 13

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