Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Strom-Gutschein vom Staat?
EU-Kommission legt Konzept gegen steigende Energiepreise vor – dazu gehören Steuersenkungen und Gutscheine
Die explodierenden Energiepreise alarmieren die Europäische Union. EU-Energiekommissarin Kadri Simson sagte am Mittwoch, der weltweite Preisanstieg sei ein „Anlass zur Besorgnis“, es handele sich um eine „Ausnahmesituation“. In Europa müsse jetzt schnell und koordiniert reagiert werden, um vor allem besonders gefährdete Verbraucherinnen und Verbraucher sowie kleine Unternehmen in diesem Winter zu entlasten.
Die Kommission legte dazu in Brüssel eine ganze Liste möglicher Maßnahmen vor, die die nationalen Regierungen der EU-Staaten zügig umsetzen könnten, ohne gegen die EU-Subventionsregeln zu verstoßen. Zu den Instrumenten des „Werkzeugkastens“gehören Notfall-Einkommensunterstützungen für Haushalte, Beihilfen für Unternehmen und gezielte Steuersenkungen.
So könnten zum Kampf gegen Energiearmut Gutscheine ausgegeben werden oder Energierechnungen finanzschwacher Haushalte teilweise vom Staat übernommen werden, wofür die Regierungen auch Einnahmen aus dem Emissionshandel verwenden dürften. Auch Zahlungsaufschübe oder Vorkehrungen zum Schutz vor Stromabschaltungen schlägt die Kommission vor.
Die Maßnahmen sind so ausgewählt, dass sie sich bei einer Stabilisierung der Preisentwicklung – die für das kommende Frühjahr erhofft wird – schnell ändern oder wieder zurücknehmen lassen. Die Energiepreise – vor allem bei Gas – sind seit Januar stark gestiegen, in Europa lagen sie im September um 17,4 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Kurzfristige Entlastung ist nach Brüsseler Einschätzung nicht in Sicht.
Zahlreiche EU-Länder haben bereits solche Initiativen von sich aus ergriffen: Frankreich etwa deckelt die Gaspreise bis zum Frühjahr und gibt Schecks für arme Haushalte aus, Griechenland kündigt Strompreis-Subventionen an, Spanien hat die Stromsteuer gesenkt, Italien legt einen Entlastungsfonds auf. Die Bundesregierung zeigt sich allerdings unbeeindruckt und bleibt auch nach den EU-Vorschlägen bei ihrer Linie, keine neuen staatlichen Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise zu ergreifen. Dies bleibe der nächsten Regierung vorbehalten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat zwar unter anderem ein schnelles Aus für die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom und eine Senkung der Stromsteuer vorgeschlagen, er will dies aber erst mit den Vertretern einer künftigen Ampel-Koalition besprechen.
Die EU-Kommission plant längerfristig auch Reformen, die den Energiemarkt robuster machen sollen. Geprüft wird ein europaweit gemeinsamer Einkauf von Erdgas und der Aufbau einer europäischen Gasreserve. Doch betonte Energiekommissarin Simson, dass auf längere Sicht nur der Ausbau erneuerbarer Energien größere Unabhängigkeit von den Preisschwankungen an den Energiemärkten biete.