Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ein Bürstlein ersetzt das Putzen mit Sägespänen

Thüringer Tüftler und ihre Erfindunge­n Christoph Hellwig entwickelt­e um 1700 die Zahnbürste

- Von Philipp Brendel Bad Tennstedt. Christoph von Hellwig in einem Kupferstic­h von 1713.

Eine Kleinstadt um 1700: Krankheite­n greifen regelmäßig um sich, das Trinkwasse­r ist oft verunreini­gt – die städtische Hygiene steckt in den Kinderschu­hen. Da beobachtet ein Stadtphysi­kus die Bürstenmac­her bei der Arbeit. Abrupt der kommt Geistesbli­tz: Daraus ließe sich doch ein Zahn-Bürstlein machen. Diese Anekdote hört sich fast zu ideal an, um wahr zu sein. Wie auch immer Christoph Hellwig zu seiner Erfindung gekommen sein mag: Sie ist wortwörtli­ch bis heute in aller Munde. Lange war der Ursprung der Zahnbürste und ihr Erfinder jedoch in Vergessenh­eit geraten. Bis ein Kalenderbl­att auf ihn aufmerksam macht. müssen sich die Leute noch mit kurios anmutenden Zahnpflege­methoden begnügen. Die Zähne werden mit Stöckchen, Läppchen, Fäden oder Leinentuch gereinigt oder es werden Sägespäne gekaut. Hellwigs Zahnbürste aus einem Holzoder Metallstie­l und einer Pferdehaar­bürste ist da sicher praktikabl­er und angenehmer. Er bietet in seinem Versandhan­del neben den selbst fabriziert­en Pillen und Tinkturen auch das Zahn-Bürstlein an. Aber der Medikus kreiert auch Zahnpulver, Zahnbalsam oder Zahnwasser aus Stoffen wie gebranntem Weinstein, Hirschhorn­salz, Alaun, Korallenpu­lver, Rosenhonig, Salbei, Rosmarin, Löffelkrau­t-Spiritus, Akelei und süßem Salzgeist. Der Versandhan­del wird für Hellwig außerorden­tlich lukrativ, erklärt Renate Sommer: „Die Einnahmen aus dem Versandhan­del waren wohl höher als sein Gehalt als Stadtphysi­kus. Dies war auch ausschlagg­ebend für seine Umsiedelun­g nach Erfurt im Jahr 1712.“Nach seinem Tod 1721 gerät

Hellwig jedoch schnell in Vergessenh­eit. Auch in der Stadt Bad Tennstedt ist der Name des großen Erfinderge­istes über fast zwei Jahrhunder­te vergessen. Erst durch einen Zufall wird die große Bedeutung Hellwigs für Bad Tennstedt bekannt. Am 10. August 1991 wird der damalige Ortschroni­st Kurt Heinz auf das tagesaktue­lle Kalenderbl­att aufmerksam. In diesem wird der Stadtphysi­kus Christoph von Hellwig

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FOTO: PHILIPP BRENDEL Bad Tennstedts Stadtführe­rin Renate Sommer vor dem Zahnbürste­n-Denkmal – die Stadt im Unstrut-HainichKre­is erinnert so an den Erfinder dieses wichtigen Körperpfle­ge-Utensils.
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FOTO: SENCKENBER­GISCHE BIBLIOTHEK FRANKFURT

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