Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Flora, Messi und John Wayne
Jenas Fußball-Idol Peter Ducke wird 80 und erzählt von Beinbruch, Sperre, Stasi, Kino und einer Mexikanerin
Als Jena in Meiningen am vergangenen Samstag im Pokal 9:0 gewinnt, komme ich mit meinem Nachbarn auf der Tribüne ins Gespräch. Über die alten Zeiten, als der FC Carl Zeiss in Europa eine Nummer war. Über Peter Ducke, der am Donnerstag 80 wird.
„Ich habe damals im Schlafsack im Wohnwagen übernachtet, weil ich ein Autogramm von ihm wollte“, sagt der Fan aus Frankenheim, dem höchsten Dorf der Rhön. „Peter Ducke war mein Idol. Der beste Spieler der DDR – für mich.“
Dem „Schwarzen Peter“schmeicheln solche Sätze. Natürlich. Er sagt: „Es gab viele gute Spieler bei uns. Ich war einer von ihnen.“In der DDR war er der Held einer ganzen Generation. Er trickste mit dem Ball wie die Zauberer aus dem Westen oder aus Südamerika. Und Ducke war unangepasst, ein Rebell. Alles das, was seine Fans in der Arbeiterund Bauern-Republik nicht sein durften. „Pelé des Ostens“nannte man den Stürmer, den im anderen Teil Deutschlands kaum ein Sportschau-Gucker kannte.
„Wie ein Vogel im Wind“, sei er von seinen Eltern erzogen worden, die aus Bensen im Sudetenland nach dem Krieg flüchteten, erzählt Ducke. Wie sie auf den Elbwiesen von Schönebeck mit dem schweren Leder knödelten. Ducke war ein Freigeist. Nur sein 2005 verstorbener Bruder Roland, der auch für den FC Carl Zeiss spielte, konnte ihn immer wieder zähmen.
„Roland und mein Trainer Georg Buschner haben mich oft rausgehauen. Sie sagten den Funktionären, lasst den Peter, wie er ist. Wir brauchen ihn“, erinnert sich Ducke. Nach dem mit 1:2 verlorenen Pokalfinale gegen Union Berlin 1968 in Halle konnte aber keiner helfen. Der eingewechselte Ducke war wütend über die unnötige Niederlage. Vor allem aber darüber, „weil der Schiri schon nach 85 Minuten abpfiff. Die Ankunft der Friedensfahrt sollte pünktlich übertragen werden“, erzählt Ducke, der für zwölf Wochen gesperrt wurde, weil er danach vom „Scheiß-Pokal“sprach.
Sonst hätte er wegen seines Temperaments zwar viele Gelbe gesehen, sei aber nur drei Mal vom Platz geflogen, klärt er auf. Ducke hätte noch mehr Erfolge feiern können, wäre er nicht schwer verletzt gewesen. Am schlimmsten erwischte es ihn in Mexiko 1966. Dabei begann alles wie im Traum. „Flora Tilla hieß sie, bildhübsch. Ihre Eltern haben mich immer zum Essen nach Hause eingeladen. Sie wollten mich wohl als Fußballer und Schwiegersohn“, grinst Ducke über den Schwank aus der Jugend. Tage später erwischte ihn beim Turnier in Guadalajara ein Verteidiger von Sparta Prag. Schienund Wadenbeinbruch. „Das tat vielleicht weh. Aber Tillas Familie hat mich noch im Krankenhaus besucht“, strahlt Ducke.
Südamerika war Duckes große Liebe. „Der Fußball, die Atmosphäre: ein Traum. Ich bin dort immer ins Kino gegangen, habe vor allem Western geschaut. Die verstand ich auch so“, sagt der Fan von John Wayne. Ein Plakat von „Rio Bravo“hängt im Flur neben dem von Messi. Seinen Lieblingsspieler hat er sogar einmal in Barcelona live erlebt.
Dass 1974 bei der WM Sparwasser und nicht Ducke die BRD besiegte, lag vielleicht wieder an einer Verletzung. „Ich hätte gern gespielt, litt aber noch einem kaum verheilten Meniskuseinriss, hatte nur ein paar Kurzeinsätze“, sagt er, der seine größten Spiele 1970 beim 3:1 gegen Ajax Amsterdam mit Cruyff und bei Olympia 1972, gekrönt von der Bronzemedaille, machte.
1980 erreichte ihn der lange Arm der Stasi. Weil er mit dem Auto seiner Cousine aus dem Westen ins Stadion gefahren war, bekam er ein Parteiverfahren und flog aus dem Klub. „Ich fühlte mich damals unangreifbar, war ich aber nicht“, erinnert sich Ducke, der danach sein Glück als Sportlehrer in Jena fand.
Die Spiele seines FC Carl Zeiss besucht Ducke nicht mehr. Fußball auf niedrigem Niveau interessiere ihn nicht. „Wenn das neue Stadion eröffnet wird, komme ich aber – wenn ich es erlebe“, lacht Ducke.
Seine Geburtstagsfeier in einem Gasthof in Großschwabhausen hat seine Frau Marion organisiert. „Sie hegt und pflegt mich. Wir achten sehr auf uns“, sagte Ducke der seine zwei Söhne, die Enkel und viele Freunde nicht nur aus dem Fußball erwartet. „Ich freue mich auf einen schönen Tag“, sagt Ducke.