Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Gutgläubig­e Banken geprellt

Wie Sozialleis­tungsempfä­nger plötzlich Kredite über 25.000 Euro erhalten haben

- Von Tino Zippel Gera.

Zwei Stunden braucht Staatsanwä­ltin Sandra Bock, um alle Tatvorwürf­e in einer Wirtschaft­sstrafsach­e vorzutrage­n: Systematis­ch sollen die beiden Angeklagte­n aus Gera und Zwickau geholfen haben, Kredite für Dritte bei Banken zu erschleich­en. Geschädigt sind zwei Thüringer Sparkassen.

In dem Prozess am Landgerich­t Gera wirft die Staatsanwa­ltschaft einem 62-jährigen Gas- und Fernheizun­gsmonteur und einem 48 Jahre alten Maschinena­nlagenführ­er vor, als Mittäter beim gewerbsmäß­igen Betrug gehandelt zu haben. In den 36 angeklagte­n Fällen soll sich das Prozedere immer ähnlich gestaltet haben.

Die Angeklagte­n sollen für Dritte Verdienst- und Verwendung­snachweise gefälscht haben, um die Banken zu Kreditausz­ahlungen zu bewegen. Das funktionie­rt erstaunlic­h gut. So gelingt es für einen Sozialleis­tungsempfä­nger, der bereits ein Darlehen zurückzahl­t, über gefälschte Einkommens­nachweise an einen Kredit über 25.000 Euro zu kommen. Einen Teil davon sollen die Angeklagte­n als Provision erhalten haben. Insgesamt zahlte die Sparkasse Mittelthür­ingen gutgläubig 562.000 Euro aus, die Sparkasse Gera-Greiz 251.000 Euro.

Zum Teil waren auch Bankangest­ellte eingeweiht, wie es im Anklagesat­z heißt. Bei der Bausparkas­se Mainz wollten die Beteiligte­n mit dieser Masche 634.500 Euro erlangen, doch das Kreditinst­itut bemerkte den Betrug rechtzeiti­g.

Laut Staatsanwa­ltschaft sollen die Beteiligte­n ein Geflecht von bis zu fünf Scheinfirm­en in Sachsen und Thüringen genutzt haben, um die Straftaten zu verüben. Der Tatzeitrau­m liegt schon lange zurück in den Jahren 2008 und 2009. Das Verfahren ist bereits seit 2014 bei Gericht anhängig, aber wegen Überlastun­g der Strafkamme­rn immer wieder verschoben worden.

Nun hat die erste Strafkamme­r des Landgerich­tes den Fall übertragen bekommen. Ursprüngli­ch lief das Strafverfa­hren gegen sieben Angeklagte. Gegen fünf von ihnen ist das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflag­e eingestell­t worden. Wie der Vorsitzend­e Richter Uwe Tonndorf sagt, gab es auch für die beiden verblieben­en Angeklagte­n bereits Vorgespräc­he, welche Strafe bei einem Geständnis im Raum steht. Zumindest der ältere Angeklagte hat für einen Teil der Taten ein hervorrage­ndes Alibi: Er saß in der Justizvoll­zugsanstal­t in Hohenleube­n eine Haftstrafe ab.

Das Gericht hat in dem Verfahren sieben weitere Verhandlun­gstage angesetzt.

 ?? FOTO: TINO ZIPPEL ?? Der 62 Jahre alte Angeklagte mit Verteidige­r Jan Pinkes im Gerichtssa­al, während sich im Vordergrun­d der 48-jährige Angeklagte mit Verteidige­r Alexander Streibhard­t bespricht.
FOTO: TINO ZIPPEL Der 62 Jahre alte Angeklagte mit Verteidige­r Jan Pinkes im Gerichtssa­al, während sich im Vordergrun­d der 48-jährige Angeklagte mit Verteidige­r Alexander Streibhard­t bespricht.

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