Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Norwegens nationales Trauma

Im Juli 2011 tötete ein Extremist 77 Menschen

- Im Juli erinnert Norwegen an das Massaker von Utoya. Berlin/Oslo. Stockholm/Berlin/Oslo.

Es ist eine gute halbe Stunde, die der Täter Zeit hat. Um 18.13 Uhr geht der erste Notruf bei der Polizei in der kleinen Stadt Kongsberg bei Oslo ein. Ein

37 Jahre alter Mann, so rekonstrui­ert die Polizei später die Tat, schießt in einem Supermarkt los. Nicht mit einem Gewehr oder einer Pistole. Der Attentäter nutzt für seine Gewalt Pfeile und Bogen.

Der 22. Juli 2011, ein Ein Polizist ist zufällig und privat Freitag, ist fest ins kollektive Ge- im Geschäft. Er wird laut Behörden dächtnis der Nation eingebrann­t. verletzt, als er versucht, den Mann Es ist der Tag, an dem das Land aus mit dem Bogen zu überwältig­en. seiner Naivität erwachte, so sagen Eine Dienstwaff­e hat er nicht dabei. es viele Norwegerin­nen und Norweger. Eine bewaffnete Streife im Dienst Ein nationales Trauma. erreicht fünf Minuten nach der ersten

Am 22. Juli 2011 explodiert gegen Meldung den Tatort in der Stadt

15.30 Uhr im Regierungs­viertel von mit ihren gerade einmal knapp Oslo in einem Van eine selbst gebau- 30.000 Einwohnern. Doch der Täter te Bombe. Die Wucht der Detona- flieht. Augenzeuge­n berichten tion ist so gewaltig, dass Gebäude- norwegisch­en Medien von der Tat, teile zerstört werden, acht Men- erzählen dem Fernsehsen­der TV2 schen sterben. Es herrscht blankes von leblosen Personen und Schreien Chaos. Genau das wollte der rechts- auf der Straße. extremisti­sche Attentäter Anders Laut Polizeimel­dung nehmen Breivik erreichen. Er fährt mit sei- Beamte den Mann um 18.47 Uhr nem Auto zur nahe gelegenen Insel am Mittwochab­end fest. 34 Minuten Utoya. Dort machen wie in jedem sind seit dem ersten Notruf vergangen. Jahr viele junge Menschen beim Der Angreifer tötet insgesamt Sommercamp der sozialdemo­kratischen Jugendorga­nisation AUF ein paar Tage Urlaub.

Breivik verkleidet sich als Polizist, sagt, er wolle die Jugendlich­en und ihre Betreuer über den Anschlag im Regierungs­viertel informiere­n, und wird mit einem Boot zur Insel gebracht. Dort beginnt er zu töten. Über eine Stunde lang erschießt Breivik 69 überwiegen­d junge Menschen, 33 werden zum Teil schwerst verletzt – bis ein Sonderkomm­ando ihn stoppt. Der Attentäter lässt sich widerstand­slos festnehmen. Er wird zur Höchststra­fe mit Sicherungs­verwahrung verurteilt, zeigt bis heute keine Reue.

Auch zehn Jahre danach herrschen in Norwegen Fassungslo­sigkeit und Wut über das sinnlose Mas- saker.

Kongsberg: Ein Pfeil des Attentäter­s steckt in einer Wand.

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FOTO: HÅKON MOSVOLD LARSEN / DPA Nach der Gewalttat im Zentrum von Kongsberg untersuche­n Polizisten und Polizistin­nen den Tatort.
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FOTO: BENDIKSBY / AFP Spurensich­erung am Tatort: Die Ermittler wollen herausfind­en, welche Waffen der Täter nutzte.
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FOTO: PEDERSEN / AFP Trauer bei den Einwohnern der Kleinstadt. Sie gedenken mit Blumen und Kerzen der Opfer.
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SCREENSHOT: ZDF Der mutmaßlich­e Täter in einem Internet-Video von 2017. Darin erklärt er, er sei zum Islam konvertier­t.
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FOTO: AFP
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FOTO: DPA

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