Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Zum Torjäger geboren
Eishockey-Oberliga André Gerartz traf für die Drachen gegen Herford viermal und spielt nun gegen seinen Ex-Klub
Als er zum ersten Mal die Faszination Eishockey verspürte, saß André Gerartz bei Papa auf den Schultern und sah seinem älteren Bruder zu. „Schnell war klar: Das will ich auch“, blickt der gebürtige Kölner zurück. Dann ging alles ziemlich schnell: Bereits mit zwölf Jahren zog er von daheim aus, um am Sportinternat in Berlin zum Eishockey-Profi zu reifen. In der Schüler-Bundesliga deutete er mit 15 an, was seine große Stärke werden sollte: das Toreschießen. 36-mal traf er damals für die Eisbären Juniors in
24 Spielen. „Ich bin oft beim Torwarttraining dabei, um das Spiel aus deren Perspektive zu sehen und zu erkennen, womit man ihnen Probleme bereiten kann“, verrät „Gerry“, wie ihn beim Eishockey alle rufen.
2008 verschlug es ihn nach Bayern, wo er drei Jahre später beim EC Peiting in der Oberliga Süd mit 17 sein Profi-Debüt gab. Die wenige Spielzeit dort ließ ihn dennoch grübeln, ob er es als Profi wirklich schaffen würde. „Zum Glück kam dann das Angebot von Timmendorfer Strand aus der Oberliga Nord“, sagt er. Die Zweifel an sich selbst waren nach einer Saison dort verflogen: 40-mal traf er für die Norddeutschen – bis heute sein Bestwert in der dritthöchsten Spielklasse.
Ambitioniertere Oberligisten klopften an, Gerartz entschied sich für die Hannover Indians. Auch dort kam, sah und traf er: Zwei Saisons mit 36 und 35 Treffern festigten seinen Ruf als Oberliga-Torjäger.
Kein Wunder, dass ihn DEL2Klub Kassel Huskies haben wollte. Es war aber ein kurzes Intermezzo:
14 Spiele, null Tore. Seinen Hauptwohnsitz in Kassel-Wilhelmshöhe hat er jedoch bis heute.
Weil seinerzeit bei den Crocodiles Hamburg zwei gute Bekannte tätig waren, ging Gerartz in die Hansestadt. Dort, zurück in der Oberliga, blühte er wieder auf, traf 38- und 32mal. „Die 30-Tore-Marke ist jede Saison mein Ziel“, erzählt der 28Jährige, der beim Training stets das Hauptaugenmerk darauf legt, „wo ich wann wie zu schießen habe“.
Da sich bei den Crocodiles aber die Insolvenz abzeichnete, ging es für ihn nach zwei Spielzeiten wieder woanders hin. Bei den Moskitos Essen erlebte er eine durchwachsene Saison, nach der er 2019 doch wieder zu den Hanseaten zurückkehrte, die sich mittels Spenden über Wasser halten konnten.
Dort hatte Gerartz aber große persönliche Differenzen mit dem neuen Trainer. „Ich bin ein Typ, der den Mund aufmacht, wenn ihm was nicht passt“, sagt er. Damit kam er beim Coach nicht gut an, erhielt wenig Eiszeit und erlebte so zwei statistisch mickrige Jahre – 2020/21 gar nur mit neun Treffern in 41 Spielen.
„Deshalb war ich verwundert, dass sich im Sommer doch so viele Vereine für mich interessiert haben.“Einer der ersten, die ihn anriefen, war Henry Tews, sportlicher Leiter des EHC Erfurt. „Wir hatten ein super Gespräch, ich war dann mit meiner Freundin und Erfurts Cheftrainer Raphael Joly bei ihm daheim. Wir haben gemerkt, dass es sehr gut passen könnte“, berichtet er von den ersten Kontakten.
Dieser Eindruck hat sich bislang beiderseits bestätigt. Gerartz ist Feuer und Flamme für die Stadt, den Verein und seine Mitspieler von den TecArt Black Dragons: „Der Ruf, dass hier ein großer Teamgeist herrscht, hat sich bestätigt. Die Mannschaft hat eine tolle Mischung und aus meiner Sicht das Zeug dazu, wieder direkt in die Playoffs einzuziehen“, meint er und lobt speziell Coach Joly, „der viel professioneller arbeitet als ein normaler Oberliga-Trainer und mir trotz der für mich persönlich schwierigen letzten Jahre Vertrauen schenkt“.
Nach sowohl fürs Team als auch für ihn etwas holprigem Saisonstart – drei der ersten vier Spiele gingen verloren, Gerartz musste sich erst an das neue System mit viel Pressing gewöhnen und lernen, „wie ich meine Stärken am besten einbringen kann“– folgte am vergangenen Sonntag gegen Herford der große Knall: Mit vier Toren und einer Vorlage führte er sein Team zum 8:6Heimsieg. „Ich hatte sogar schon Spiele mit fünf Toren, leider auch gegen Erfurt“, sagt er beiläufig. „Das sind für mich nur Zahlen. Ein Torjäger ist nie zufrieden.“
Zufriedenheit dürfte er aber am Sonntag, wenn die Drachen auf seinen Ex-Klub Hamburg treffen, im Falle eines Sieges mit Sicherheit verspüren. „Klar sind da Emotionen im Spiel. Ich hoffe, dass Kai Kristian im Tor steht, den kenne ich gut. Aber egal gegen wen: Wenn ich eine Lücke sehe, schieße ich ihn rein“, sagt „Gerry“, der Torjäger, und grinst.
Freitag, 20 Uhr: EG Diez-Limburg – Black Dragons Erfurt; Sonntag, 16 Uhr: Black Dragons Erfurt – Crocodiles Hamburg