Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Helene Fischers Seelen-Show
Fast drei Jahre lang hatte sich die Sängerin aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nun veröffentlicht sie ein neues Album – und will sich so privat zeigen wie nie zuvor
Die PR-Maschine ist angelaufen und wird mit Pathos geölt. Helene Fischer, das Wunderkind des Schlagers, kündigt für den Samstagabend intime Bekenntnisse an: „So persönlich habe ich mich noch nie gezeigt“, verheißt Deutschlands erfolgreichste Sängerin im Trailer zur Helene-Doku, die das ZDF morgen um 21.45 Uhr zeigt. Der 60-minütige Konzertfilm des mehrfach grammynominierten britischen Regisseurs Russell Thomas folgt ihr auf und hinter die Bühne. Fischer erweckt dabei lächelnd den Eindruck, als offenbare sie vor der Kamera ihre Seele: „Ich war auch vielleicht noch nie bereit, so in mein Innerstes blicken zu lassen.“
Eher würde sich die stets kontrolliert wirkende 37-Jährige die Haare grün färben, als im Fernsehen unbefangen zu plaudern. Hat sie nämlich nie getan, seit sie 2005 beim „Hochzeitsfest der Volksmusik“an der Seite eines gewissen Florian Silbereisen (40) zum ersten Mal im TV auftrat. Sogar von ihrer Schwangerschaft hat sie erst berichtet, als ihre Umstände schon in Boulevardzeitungen nachzulesen waren. Sie sei enttäuscht, dass „Menschen in meinem näheren Umfeld“mit den Medien „persönliche Informationen“geteilt hätten, schrieb Fischer Anfang Oktober auf Instagram. Ansonsten
gehe es ihr „fantastisch“.
Fischer hat etwas zu verkaufen: Am heutigen Freitag erscheint ihr achtes Studioalbum „Rausch“. Im Januar 2019 hatte sie sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen – jetzt ist sie wieder da. Der Künstlermanager Markus Krampe (45) sieht in der langen Pause einen geschickten Werbeschachzug, um einer medialen Übersättigung vorzubeugen – nach dem Motto: „Bist du ein Star, mach dich rar.“Er glaube, so Krampe, „dass das alles sehr gut durchdacht ist“.
So beginnen nun die großen Fischer-Festspiele. Vor wenigen Tagen flog sie nach Köln, wo sie für Sat.1 auf einer Theaterbühne Live-Versionen ihrer neuen Songs vorstellte, an denen sie gemeinsam mit Stefan Raab (54) gearbeitet hat. „Helene Fischer – Ein Abend im Rausch“wird am 12. November ausgestrahlt. Bereits eine knappe Woche vorher sitzt sie in der einmaligen Jubiläumsausgabe von „Wetten, dass..?“neben Thomas Gottschalk
(71) auf dem Sofa.
Die aus Sibirien stammende Russlanddeutsche, die als Kleinkind mit ihren Eltern nach Rheinhessen kam, kennt das Geschäft. Mit 16 ließ sie sich zur Musicaldarstellerin ausbilden, hat mehr als
16 Millionen Tonträger verkauft. Wie persönlich wird sie sich zeigen, um ihr Album zu bewerben?
„Das Wort Authentizität tragen im Showgeschäft alle vor sich her“, sagt der Dortmunder Kulturhistoriker Ingo Grabowsky (49), Autor des Buchs „Die 100 Schlager des Jahrhunderts“.
„Dabei sind Schlagerstars per se Kunstfiguren. Sie haben ein Image, von dem niemand weiß, was sich dahinter verbirgt.“Wer auf Dauer Erfolg haben wolle, müsse wenigstens zu einem kleinen Teil mit der Kunstfigur übereinstimmen. „Das Publikum würde es merken, wenn es anders wäre.“Mit Fischer verbindet Grabowsky „eine gewisse Unschuld“. Sie habe sich in den letzten Jahren weiterentwickelt – „vom netten Mädchen von nebenan zur netten Frau von nebenan“.
Helene Fischers Bestreben:
Bloß keine Fans verprellen
Helene Fischer ist in ihrer Karriere nie angeeckt. Mit braven „Wie ein Blitz hab ich mich verliebt“-Songzeilen einerseits und opulenten Bühnenshows andererseits kommt sie wie eine Mischung aus Märchenprinzessin und Madonna daher. Seit drei Jahren ist sie mit dem Tänzer Thomas Seitel (36) liiert.
Anders als viele ihrer Showkollegen schweigt sie zu den Themen unserer Zeit – ob Klimawandel oder Corona. Unvorstellbar, dass sie sich wie Nena (61) von Impfskeptikern vereinnahmen lässt. „Fischer will sicher keine Fans verprellen und mehrheitsfähig bleiben – über alle ideologischen Grenzen hinweg“, sagt Ingo Grabowsky. „Deshalb erwarte ich von ihr gar keine kontroversen Aussagen.“