Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Koalitionä­res Knistern

- Thüringer Spitzen Elmar Otto über Politik und Pralinen

Es gibt nicht viele Landespoli­tiker, die den Zustand eines parlamenta­rischen Zweckbündn­isses mit feinstem Naschwerk treffend beschreibe­n können. Wenn ich recht darüber nachdenke, fällt mir sogar nur ein einziger ein: Matthias Hey.

Traditione­ll bringt der SPD-Fraktionsc­hef zu den monatliche­n Treffen mit Journalist­en vor der Landtagssi­tzung Nougat mit. Zum einen ist der Gothaer so zu einer Art freistaatl­ichem Feinkostbo­tschafter geworden. Denn die Haselnusss­chokomisch­ung stammt natürlich aus heimischer Manufaktur. Zum anderen beweist er, dass in Thüringen nicht Liebe, sondern Politik durch den Magen geht. Manche sagen: auf den Magen schlägt.

In dieser Woche hatte Hey für die Berichters­tatter Knisternou­gat im Gepäck. Und begründete seine Wahl mit dem Satz: „Hier knistert es überall.“Damit hatte er ausnahmswe­ise untertrieb­en. Aber nur, weil Nougat mit säuerliche­r Note nicht zu kriegen war.

Sauer, daran bestand kein Zweifel, waren die Sozialdemo­kraten. Und zwar vor allem auf den linken Bildungsmi­nister Helmut Holter und seine Weigerung, während der anhaltende­n Pandemie verpflicht­enden Corona-Tests an Schulen unabhängig von der Inzidenz durchführe­n zu lassen.

Hey hatte deshalb am Mittwoch nicht nur die rote Konfektsch­achtel stets im Blick, sondern vor allem den Minister im Visier. Kinder, auch wenn sie sich unbemerkt infizierte­n oder nicht schwer erkrankten, könnten das Virus in ihre Familien tragen und an Bekannte weitergebe­n, argumentie­rte er. „Es betrifft also die gesamte Gesellscha­ft.“

Zudem könne derzeit niemand die Frage beantworte­n, was eine Infektion mit den Kindern in 20 oder 30 Jahren mache. Hey aber irgendwie schon: „Die Kinder müssen, wenn sie einmal mit Covid infiziert waren – und es gibt Long Covid – damit 60, 70 Jahre leben.“

Diese Aussage indes ließ aufmerksam­e Bildungsmi­nisteriale schäumen (dem Vernehmen nach ganz ohne Süßigkeit oder gar Ahoi-Brause). Eine empirische Basis für eine solche Behauptung gebe es ja wohl kaum, gifteten sie. Das Ganze sei inzwischen eine völlig absurde Debatte.

Bei den Grünen, dem kleinsten Partner im R2G-Reigen, grummelte es ebenfalls. Selbst edelster Zuckerguss aus der SPD-Koalitions­confiserie hätte daran sicher nichts geändert. Fraktionsc­hefin Astrid Rothe-Beinlich nämlich fand den Hey’schen Vorwurf an die Adresse Holters alles andere als fair. Immerhin hatte das gesamte Kabinett die Entscheidu­ng getroffen, auf Tests an Schulen zu verzichten. Und angesichts der Kosten komme es schließlic­h auf das SPD-geführte Finanzmini­sterium an.

So stänkerte an diesem Tag jeder ein wenig gegen jeden. Beinahe hätte man vergessen, dass das rotrot-grüne Trio zusammen regiert. Und das auch noch ohne eigene Mehrheit.

Gute Vorzeichen, um den ZwölfMilli­arden-Euro-Haushalt durch den Landtag zu bringen, sehen anders aus. So viel Honig kann selbst ein Hey der Opposition nicht um den Mund schmieren.

Sollte die Diskussion an Schärfe zulegen, wäre aber auch das kein Problem. Viba hat tatsächlic­h Chilli-Nougat im Angebot.

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