Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
China macht die Pforten dicht
Mit Linkedin zieht sich die letzte westliche Online-Plattform zurück. Kapitulation vor der Zensur des Landes
In China ist die Sprache der Regierung nicht nur entkoppelt von der Realität, sondern steht oftmals im genauen Gegensatz zu ihr. „Chinas Tür wird sich immer weiter öffnen und nie geschlossen werden“, sagte Xi Jinping in dieser Woche in einer Rede vor den Vereinten Nationen. Doch in Wirklichkeit geschieht seit Jahren das Gegenteil. Die Volksrepublik schließt ihre Pforten und kappt zunehmend die Verbindungen zum Ausland.
Jüngst zeigte sich dies am Beispiel Linkedin: Die Online-Plattform fürs berufliche Netzwerken schließt jetzt ihre chinesische Version aufgrund des zunehmenden Drucks der Zensurbehörden. Vizepräsident Mohak Shroff schreibt euphemistisch von einem „deutlich schwierigeren Arbeitsumfeld und höheren Compliance-Anforderungen in China“.
Das Karrierenetzwerk war die letzte große Online-Plattform aus dem Westen, die in China noch zugänglich war. Facebook ist seit Jahren zensiert, Twitter, Instagram und Whatsapp ebenso. Auch Twitch, Snapchat, Gmail und Slack sind in China gesperrt. Selbst Skype und Tinder lassen sich nur installieren, wenn man über ein im Ausland angemeldetes Apple-Konto verfügt.
Auch Unternehmen gelingt der Drahtseilakt seltener: Adidas wurde zeitweise boykottiert, nachdem der Sportartikelhersteller ankündigte, wegen möglicher Zwangsarbeit keine Baumwolle in der Region Xinjiang mehr beziehen zu wollen. Bei Mercedes hat ein bloßer Instagram-Post mit Dalai-Lama-Zitat gereicht, dass die Vorstandsetage den Kotau in Peking machte.
Es ist ein Trend, der sich verschärft: China macht dicht, nicht nur im Internet. Auch innerhalb der Wirtschaft hat Chinas Staatsführung die Kontrolle erhöht und seinen Unternehmen Börsennotierungen in Übersee erschwert. Es gibt seit Ausbruch der Pandemie auch keinen nennenswerten menschlichen Austausch zwischen China und dem Rest der Welt. Selbst Staatschef Xi Jinping hat seit über zwei Jahren sein Heimatland nicht verlassen und empfängt Staatschefs nur noch per Videoschalte.