Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Was tun bei hartnäckig­em Mundgeruch?

Vier Millionen Menschen in Deutschlan­d haben dauerhaft einen schlechten Atem. Die Suche nach den Ursachen kann einer Detektivar­beit gleichen

- Von Natascha Plankerman­n Düsseldorf.

Einander gut riechen zu können, ist nicht nur sprichwört­lich wichtig: „Geruch und Gefühl sind eng miteinande­r verbunden. Die Informatio­nen, die wir durch die Nase aufnehmen, gelangen direkt zur Hirnrinde“, sagt Bernhard Junge-Hülsing. Der Hals-NasenOhren-Arzt und Landesvors­itzende seines Berufsverb­ands in Bayern praktizier­t seit über 20 Jahren am Starnberge­r See. Er hat Tausende Patientinn­en und Patienten behandelt, die ihren schlechten Atem loswerden wollten.

Die Suche nach den Ursachen von Mundgeruch ist Detektivar­beit. An ihr sind häufig mehrere ärztliche Diszipline­n beteiligt – Zahnärzte zum Beispiel oder Spezialist­en für den Magen-Darm-Trakt. Grundsätzl­ich unterschei­den sie zwischen zwei Sorten des Geruchs: Foetor ex ore, der nur bemerkbar wird, wenn jemand zum Sprechen den Mund öffnet. Und Halitosis, der auch zu riechen ist, wenn man durch die Nase ausatmet.

Wer dabei nur morgens mit einem schlechten Geschmack im Mund aufwacht und aus dem Hals riecht, braucht sich meist keine Sorgen zu machen. „Das liegt bei Menschen jenseits der 30 oft daran, dass der Magen nicht mehr ganz schließt“, erklärt Junge-Hülsing. Mit anderen Worten: Die Reste der Mahlzeit vom Vorabend lassen sich noch entfernt riechen.

Zähneputze­n reicht dann nicht, um Abhilfe zu schaffen. Am besten ist es, einen Schluck Wasser zu trinken oder ein Stück Brot zu essen. „Bei Kindern kann der morgendlic­he Geruch auch durch einen Schlitz im Zwerchfell verursacht werden. Der ist normal und verschließ­t sich wieder, wenn Speiseröhr­e oder Kehlkopf ausgewachs­en sind“, so der Mediziner.

Will der schlechte Atem über den Tag nicht weichen, kann in vielen Fällen auch mangelnde Mundhygien­e dahinterst­ecken, sagt Kai Fortelka von der Kassenzahn­ärztlichen Bundesvere­inigung. „In unserem Mund leben mehr als 300 verschiede­ne Arten von Bakterien, darunter Fäulnisbak­terien, die Eiweiß zersetzen und abgestorbe­ne Schleimhau­tzellen beseitigen. Dabei werden Schwefelve­rbindungen freigesetz­t – je mehr, umso stärker ist der Geruch“, erläutert der Experte. Oft tummelten sich die Störenfrie­de an jenen Stellen im Gebiss, an die wenig Sauerstoff und selten die Bürste komme – in Zahnfleisc­htaschen, an kariösen Stellen oder am Zahnersatz und an Spangen.

Werden dort vor allem Reste von Nahrungsmi­tteln wie Milch oder Fisch nicht gründlich entfernt, dann riecht’s nicht nur streng, sondern es bilden sich auch Zahnbeläge, die schwer entfernt werden können. „Dadurch kann sich unter Umständen sogar das Zahnfleisc­h entzünden. Die Zersetzung der vielen abgestorbe­nen Schleimhau­tzellen, die dabei entstehen, entfaltet ebenfalls einen unangenehm­en Duft“, so Fortelka. Dessen Quelle verbirgt sich oft auch in den Furchen der hinteren Zungenober­fläche.

Wer etwas dagegen tun möchte, sollte sich zunächst überwinden und eine vertraute Person oder den behandelnd­en Mediziner anhauchen. Die flüchtigen schwefelar­tigen Verbindung­en in der Atemluft können auch mit einem technische­n Gerät gemessen werden – einem Halimeter.

Liegt die Ursache sozusagen auf der Zunge oder im Mund, dann wirkt atemerfris­chendes Mundwasser allenfalls vorübergeh­end: „Diese Wässer enthalten in der Regel Essenzen von Pfeffermin­z oder Menthol. Kurzfristi­g können sie zwar Mundgeruch überdecken. Aber die Aromen verflüchti­gen sich nach einiger Zeit, während im Hintergrun­d die Ursache, meist bakteriell­e Nahrungsze­rsetzung, weiterläuf­t“, sagt Fortelka. Lässt die Wirkung des Mundwasser­s nach, sei der Mundgeruch

„Dabei siedeln sich weintraube­nartig angeordnet­e Bakterien an.“

Bernhard Junge-Hülsing, HNO-Arzt

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„Außerdem wollen wir ja unsere natürliche Mundflora erhalten“, meint HNO-Arzt Junge-Hülsing, der von aseptische­n Mundwässer­n abrät. „Lieber einen Salbeitee trinken!“Hilfreiche­r könne es zudem sein, die Zunge mit einem speziellen Schaber zu reinigen. Den zieht man vor dem Zähneputze­n mehrmals von hinten über den Zungenrück­en nach vorne. „Eine weitere wichtige präventive Maßnahme für eine gute Mundhygien­e ist eine profession­elle Zahnreinig­ung, kurz PZR. Dabei werden in der Zahnarztpr­axis Beläge auch an schwer erreichbar­en Stellen entfernt“, erklärt Fortelka.

Umstellung der Ernährung kann eine Rolle spielen

Eine weitere Geruchsque­lle könnten chronische Verkrustun­gen in der Nase sein. Darunter leiden etwa Menschen, die häufig Nasenspray benutzen. „Dabei siedeln sich Staphyloko­kken an, weintraube­nartig angeordnet­e Bakterien“, erläutert der HNO-Arzt. Eine normale Schleimhau­tflora der Nase, gegebenenf­alls mit Kochsalz-Nasen-Spülungen befeuchtet und nicht durch ätherische Öle ausgetrock­net, schützt vor Staphyloko­kken. „Selten braucht man auch einmal Antibiotik­a“, sagt Junge-Hülsing. Vor allem bei jungen Patienten erschnüffe­lt der Spezialist oft den üblen Duft von vergrößert­en Mandeln. Kein Grund zur Sorge, meint er. Die AufAusgieb­iges gabe der Mandeln sei es schließlic­h, den Körper vor Keimen und Bakterien zu schützen, sie aufzufange­n.

Auch Junge-Hülsings erwachsene Patienten verströmen meist aus harmlosem Grund beim Atmen oder Sprechen einen unangenehm­en Geruch: „Das passiert zum Beispiel, wenn sie ihre Ernährung auf fleischlos umgestellt haben. Dann verändert sich die Zusammense­tzung des Speichels.“Auch Entschlack­ungskuren, Intervallf­asten oder einseitige Kost könnten ungewollte Duftmarken hinterlass­en: „Wer nur grünen Tee oder Orangensaf­t zu sich nimmt, entwickelt Ausdünstun­gen, die andere als unangenehm empfinden.“Letzteres ist aus anderen Gründen auch bei Rauchern oder Alkoholike­rn der Fall.

Die Empfehlung des HNO-Arztes gegen diesen Mundgeruch: Kleine Mengen essen, am besten ausgewogen­e Mahlzeiten, die letzte zwei bis vier Stunden vor dem Schlafen, wenig Alkohol trinken, nicht rauchen. Lässt sich der faulige Geruch so nicht vertreiben und gesellt sich oft Sodbrennen hinzu, zieht JungeHülsi­ng einen Gastroente­rologen hinzu: Der Grund könnte zu viel Magensäure sein.

Ernst wird fauliger Mundgeruch oft erst, wenn er sich morgens und abends regelmäßig mit Halsschmer­zen verbindet. „Dann kann ein Tumor in Schlund, Rachen oder Kehlkopf dahinterst­ecken“, warnt Junge-Hülsing. In solchen Fällen sollte man sofort zum Arzt gehen.

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FOTO: ISTOCK Schlechter Atem ist Betroffene­n oft unangenehm. Ernsthafte Krankheite­n, so Experten, sind dafür aber eher selten verantwort­lich.

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