Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Was tun bei hartnäckigem Mundgeruch?
Vier Millionen Menschen in Deutschland haben dauerhaft einen schlechten Atem. Die Suche nach den Ursachen kann einer Detektivarbeit gleichen
Einander gut riechen zu können, ist nicht nur sprichwörtlich wichtig: „Geruch und Gefühl sind eng miteinander verbunden. Die Informationen, die wir durch die Nase aufnehmen, gelangen direkt zur Hirnrinde“, sagt Bernhard Junge-Hülsing. Der Hals-NasenOhren-Arzt und Landesvorsitzende seines Berufsverbands in Bayern praktiziert seit über 20 Jahren am Starnberger See. Er hat Tausende Patientinnen und Patienten behandelt, die ihren schlechten Atem loswerden wollten.
Die Suche nach den Ursachen von Mundgeruch ist Detektivarbeit. An ihr sind häufig mehrere ärztliche Disziplinen beteiligt – Zahnärzte zum Beispiel oder Spezialisten für den Magen-Darm-Trakt. Grundsätzlich unterscheiden sie zwischen zwei Sorten des Geruchs: Foetor ex ore, der nur bemerkbar wird, wenn jemand zum Sprechen den Mund öffnet. Und Halitosis, der auch zu riechen ist, wenn man durch die Nase ausatmet.
Wer dabei nur morgens mit einem schlechten Geschmack im Mund aufwacht und aus dem Hals riecht, braucht sich meist keine Sorgen zu machen. „Das liegt bei Menschen jenseits der 30 oft daran, dass der Magen nicht mehr ganz schließt“, erklärt Junge-Hülsing. Mit anderen Worten: Die Reste der Mahlzeit vom Vorabend lassen sich noch entfernt riechen.
Zähneputzen reicht dann nicht, um Abhilfe zu schaffen. Am besten ist es, einen Schluck Wasser zu trinken oder ein Stück Brot zu essen. „Bei Kindern kann der morgendliche Geruch auch durch einen Schlitz im Zwerchfell verursacht werden. Der ist normal und verschließt sich wieder, wenn Speiseröhre oder Kehlkopf ausgewachsen sind“, so der Mediziner.
Will der schlechte Atem über den Tag nicht weichen, kann in vielen Fällen auch mangelnde Mundhygiene dahinterstecken, sagt Kai Fortelka von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. „In unserem Mund leben mehr als 300 verschiedene Arten von Bakterien, darunter Fäulnisbakterien, die Eiweiß zersetzen und abgestorbene Schleimhautzellen beseitigen. Dabei werden Schwefelverbindungen freigesetzt – je mehr, umso stärker ist der Geruch“, erläutert der Experte. Oft tummelten sich die Störenfriede an jenen Stellen im Gebiss, an die wenig Sauerstoff und selten die Bürste komme – in Zahnfleischtaschen, an kariösen Stellen oder am Zahnersatz und an Spangen.
Werden dort vor allem Reste von Nahrungsmitteln wie Milch oder Fisch nicht gründlich entfernt, dann riecht’s nicht nur streng, sondern es bilden sich auch Zahnbeläge, die schwer entfernt werden können. „Dadurch kann sich unter Umständen sogar das Zahnfleisch entzünden. Die Zersetzung der vielen abgestorbenen Schleimhautzellen, die dabei entstehen, entfaltet ebenfalls einen unangenehmen Duft“, so Fortelka. Dessen Quelle verbirgt sich oft auch in den Furchen der hinteren Zungenoberfläche.
Wer etwas dagegen tun möchte, sollte sich zunächst überwinden und eine vertraute Person oder den behandelnden Mediziner anhauchen. Die flüchtigen schwefelartigen Verbindungen in der Atemluft können auch mit einem technischen Gerät gemessen werden – einem Halimeter.
Liegt die Ursache sozusagen auf der Zunge oder im Mund, dann wirkt atemerfrischendes Mundwasser allenfalls vorübergehend: „Diese Wässer enthalten in der Regel Essenzen von Pfefferminz oder Menthol. Kurzfristig können sie zwar Mundgeruch überdecken. Aber die Aromen verflüchtigen sich nach einiger Zeit, während im Hintergrund die Ursache, meist bakterielle Nahrungszersetzung, weiterläuft“, sagt Fortelka. Lässt die Wirkung des Mundwassers nach, sei der Mundgeruch
„Dabei siedeln sich weintraubenartig angeordnete Bakterien an.“
Bernhard Junge-Hülsing, HNO-Arzt
zurück.
„Außerdem wollen wir ja unsere natürliche Mundflora erhalten“, meint HNO-Arzt Junge-Hülsing, der von aseptischen Mundwässern abrät. „Lieber einen Salbeitee trinken!“Hilfreicher könne es zudem sein, die Zunge mit einem speziellen Schaber zu reinigen. Den zieht man vor dem Zähneputzen mehrmals von hinten über den Zungenrücken nach vorne. „Eine weitere wichtige präventive Maßnahme für eine gute Mundhygiene ist eine professionelle Zahnreinigung, kurz PZR. Dabei werden in der Zahnarztpraxis Beläge auch an schwer erreichbaren Stellen entfernt“, erklärt Fortelka.
Umstellung der Ernährung kann eine Rolle spielen
Eine weitere Geruchsquelle könnten chronische Verkrustungen in der Nase sein. Darunter leiden etwa Menschen, die häufig Nasenspray benutzen. „Dabei siedeln sich Staphylokokken an, weintraubenartig angeordnete Bakterien“, erläutert der HNO-Arzt. Eine normale Schleimhautflora der Nase, gegebenenfalls mit Kochsalz-Nasen-Spülungen befeuchtet und nicht durch ätherische Öle ausgetrocknet, schützt vor Staphylokokken. „Selten braucht man auch einmal Antibiotika“, sagt Junge-Hülsing. Vor allem bei jungen Patienten erschnüffelt der Spezialist oft den üblen Duft von vergrößerten Mandeln. Kein Grund zur Sorge, meint er. Die AufAusgiebiges gabe der Mandeln sei es schließlich, den Körper vor Keimen und Bakterien zu schützen, sie aufzufangen.
Auch Junge-Hülsings erwachsene Patienten verströmen meist aus harmlosem Grund beim Atmen oder Sprechen einen unangenehmen Geruch: „Das passiert zum Beispiel, wenn sie ihre Ernährung auf fleischlos umgestellt haben. Dann verändert sich die Zusammensetzung des Speichels.“Auch Entschlackungskuren, Intervallfasten oder einseitige Kost könnten ungewollte Duftmarken hinterlassen: „Wer nur grünen Tee oder Orangensaft zu sich nimmt, entwickelt Ausdünstungen, die andere als unangenehm empfinden.“Letzteres ist aus anderen Gründen auch bei Rauchern oder Alkoholikern der Fall.
Die Empfehlung des HNO-Arztes gegen diesen Mundgeruch: Kleine Mengen essen, am besten ausgewogene Mahlzeiten, die letzte zwei bis vier Stunden vor dem Schlafen, wenig Alkohol trinken, nicht rauchen. Lässt sich der faulige Geruch so nicht vertreiben und gesellt sich oft Sodbrennen hinzu, zieht JungeHülsing einen Gastroenterologen hinzu: Der Grund könnte zu viel Magensäure sein.
Ernst wird fauliger Mundgeruch oft erst, wenn er sich morgens und abends regelmäßig mit Halsschmerzen verbindet. „Dann kann ein Tumor in Schlund, Rachen oder Kehlkopf dahinterstecken“, warnt Junge-Hülsing. In solchen Fällen sollte man sofort zum Arzt gehen.