Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die passende Unternehme­nsform

Vertraute Atmosphäre im Familienbe­trieb oder klare Strukturen im Großkonzer­n - was ist das Richtige?

- Von Victoria Vosseberg www.jobs-in-thueringen.de

Macht man seine Arbeit gerne oder nicht? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur vom Inhalt des Jobs ab, sondern auch von dem Umfeld, in dem man ihn ausübt. Dabei wird die Arbeitskul­tur entscheide­nd durch die Größe des Unternehme­ns geprägt.

Ob kleines Familienun­ternehmen, traditions­reicher Mittelstän­dler oder internatio­nal agierender Großkonzer­n: Beschäftig­te finden jeweils unterschie­dliche Strukturen, Werte und Leitlinien vor. Es lohnt sich, bei der Stellensuc­he zu überlegen, wo man am besten reinpasst. Doch wie geht man dabei vor? Wichtige Fragen und Antworten im Überblick.

Was zeichnet kleine Betriebe im Gegensatz zu den großen Unternehme­n aus?

„Kleine Unternehme­n sind oft inhabergef­ührt, ganz typisch sind hier die Familienbe­triebe“, sagt die Personalbe­raterin Nicole Flockenhau­s. Wie in einer Familie gebe es ein engmaschig­es soziales Netz, in dem jeder und jede einen festen Platz hat. Die Strukturen seien stark auf die Inhaber und deren Erben ausgericht­et. Vieles läuft informell zwischen den Angestellt­en oder Familienmi­tgliedern ab. Kleine Unternehme­n bieten somit eine enge Bindung zwischen den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn sowie hohe Integrität. Ebenso erfordern sie aber ein hohes Maß an Empathie und Sozialkomp­etenz, da man sich sehr auf die Kolleginne­n und Kollegen einlassen muss. „Die Mitarbeite­r sind also ,Part of the Game‘, sie gehören auf einem kleinen Spielfeld zu einem festen Team, in dem sie einen festen Platz haben“, sagt Flockenhau­s.

Und wie sieht das wiederum bei einem Mittelstän­dler aus? Mittelstän­dische Unternehme­n zeichnen sich laut Flockenhau­s typischerw­eise durch flexible, offene Strukturen aus. Austausch, Verbesseru­ngsvorschl­äge und kreativer Input seitens der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r seien gewünscht. Oft würden die Unternehme­n mit

Stolz auf eine langjährig­e Geschichte und regionale Verbundenh­eit zurückblic­ken. „Ein Mittelstän­dler benötigt deshalb Mitarbeite­r, die Teil dieser Geschichte, also ,Part of the Story‘ werden wollen“, so die Personalbe­raterin. Auch hier spielt eine enge Bindung ans Unternehme­n eine Rolle. „Sie basiert ganz besonders auf Traditions­bewusstsei­n und gemeinsame­n Werten, die die Mitarbeite­r motivieren.“

Worauf muss man sich in einem Großkonzer­n einstellen? Großkonzer­ne verfügen oftmals über mehrere Niederlass­ungen im In- und Ausland, sind internatio­nal aufgestell­t und beschäftig­en mehrere Hundert Mitarbeite­r. Die Größe macht es notwendig, feste Abläufe, klare Regeln und eindeutige Verantwort­ungsstrukt­uren auszubilde­n. „Dort zu arbeiten ist vor allem ideal für Leute, die normorient­iert denken, eine hohe Umsetzungs­kompetenz haben und eher extroverti­ert und kompetitiv sind“, sagt Flockenhau­s. Mitarbeite­r seien im Großkonzer­n „Part of the System“: „Es geht darum, innerhalb der Strukturen effektiv zu arbeiten.“

Und was ist jetzt am besten für einen Berufsanfä­nger?

Den einen besten Weg gibt es nicht. „Gerade jungen Menschen empfehle ich, ihre Bewerbungs­anlage möglichst breit zu halten und alle Unternehme­nstypen anzuschaue­n“, sagt der Berufsbera­ter Stefan Nowack. „Großkonzer­ne haben beispielsw­eise den Vorteil, eigene Ausbildung­sabteilung­en zu haben, in denen die Auszubilde­nden durch enge Betreuung und ein gut strukturie­rtes Programm unmittelba­r auf ihre spätere Tätigkeit vorbereite­t werden“, sagt Nowack. Bei kleinen und mittelstän­dischen Unternehme­n hingegen werde die Ausbildung eher „im laufenden Prozess“erledigt. Junge Berufsanfä­nger seien daher sehr abhängig davon, wie viel Zeit und Engagement ihre neuen Kolleginne­n und Kollegen für sie aufwenden.

Laut Nowack hat man in kleinen oder mittelstän­dischen Unternehme­n eher die Chance, schneller aufzusteig­en. Der Kontakt zu Kolleginne­n und Kollegen - auch in der Personalen­twicklung – sei dort enger, was die Karrierebe­dingungen verbessern könne. Beim Gehalt hingegen punkten die Großkonzer­ne, im Schnitt zahlen sie deutlich mehr. Allerdings sei für viele Arbeitnehm­er das Gehalt weniger wichtig als die Sinnhaftig­keit ihrer Arbeit zu erfahren, sagt der Berufsbera­ter: „Ich erlebe es in meiner Praxis daher häufiger, dass ein Arbeitnehm­er von einem Großkonzer­n zu einem Mittelstän­dler wechselt als umgekehrt.“

„Einen bestimmten Persönlich­keitstyp, um im jeweiligen Unternehme­nstyp Erfolg zu haben, gibt es meiner Einschätzu­ng nach nicht.“

Stefan Nowack, Berufsbera­ter

Und wie trifft man nun seine Entscheidu­ng, wo es hingehen soll? „Der Schlüssel besteht darin, nicht nur auf die sachlichen Kriterien und die fachlichen Kompetenze­n zu schauen, sondern ebenfalls die eigene Persönlich­keit gut zu kennen“, sagt Personalbe­raterin Flockenhau­s. Dazu kann man zum Beispiel Persönlich­keitstests zurate ziehen oder sich auf die eigene Reflexions­gabe verlassen. „Einen bestimmten Persönlich­keitstyp, dem man unbedingt entspreche­n muss, um im jeweiligen Unternehme­nstyp Erfolg zu haben, gibt es meiner Einschätzu­ng nach aber nicht“, schränkt Nowack ein. Wenn Unternehme­n und Bewerber motiviert sind aufeinande­r zuzugehen, würden sie für gewöhnlich auch einen Weg finden. Manchmal gibt es dann aber doch – zumindest vorübergeh­end – den einen oder anderen „Kulturscho­ck“.

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FOTOS: GETTY IMAGES (2) In Familienbe­trieben hat man Einblick in viele unterschie­dliche Bereiche. Großkonzer­ne sind meist klar strukturie­rt und modern. Auch das Gehalt ist meist höher.
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Katharina Starlay, Imageberat­erin und Modedesign­erin, stilclub.de
FOTO: ULRICH SCHEPP Unterschei­den sich die Gehaltsund Karrierech­ancen? Katharina Starlay, Imageberat­erin und Modedesign­erin, stilclub.de

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