Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Vorwürfe gegen Alec Baldwin
Nachdem der Filmstar versehentlich eine Kamerafrau erschoss, geben Anwälte ihm eine Mitschuld. Ermittler nehmen zwei Set-Mitarbeiter in den Fokus
Bei der Aufklärung des Todes der bei Dreharbeiten für den Western „Rust“gestorbenen ChefKamerafrau Halyna Hutchins mehren sich Indizien, die auf Fahrlässigkeiten, Inkompetenz und verhängnisvolle Einsparungen bei der Sicherheit am Set hindeuten könnten. Die 42-Jährige war nach einem Schuss aus einer Requisiten-Waffe gestorben, die Hollywoodstar Alec Baldwin abgefeuert hatte – ohne laut Polizei zu wissen, dass sie mit scharfer Munition bestückt war.
Nach ersten Ermittlungen wurde Hutchins’ Brust von einer einzelnen Kugel durchschlagen. Das Projektil soll danach Regisseur Joel Souza (48) an der Schulter getroffen haben. Souza kam mit leichten Verletzungen davon. Hutchins, Mutter eines Sohnes (9), starb nach dem Transport mit dem Hubschrauber im Krankenhaus. Rechtsexperten erklärten in US-Medien, dass Baldwin eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung samt drastischer Schadenersatzforderungen drohen könnte, wenn sich schwere Versäumnisse nachweisen ließen.
Der 63-Jährige ist Hauptdarsteller des Films, der nach elf Drehtagen auf der „Bonanza Creek Ranch“bei Santa Fe im Bundesstaat New Mexico in der Katastrophe
endete. Baldwin, der bei einer Begegnung mit Hutchins’ Witwer jedwede Hilfe angeboten hat, könnte als Mit-Produzent des Streifens mitverantwortlich sein für Beschwerden, die von ehemaligen Crew-Mitgliedern vorgebracht werden.
Die Filmcrew prangerte Sicherheitsmängel an
Wie die „Los Angeles Times“und andere US-Medien herausfanden, hatten nur Stunden vor der Tragödie sieben gewerkschaftsorganisierte Mitglieder des Kamerateams von Hutchins die Arbeit aus Protest über miserable Arbeitsbedingungen niedergelegt. Neben verspäteten Gehaltszahlungen und nicht eingehaltenen Versprechen (die Leute mussten jeden Tag aus dem 80 Kilometer entfernten Albuquerque anreisen, weil die Produktionsfirma Hotelkosten sparen wollte), machten die Streikenden bei dem LowBudget-Film große Sicherheitsmängel geltend. So habe es bei Baldwins Todeswaffe bereits Tage vorher mehrere „Fehlzündungen“gegeben, als sein Stunt-Double damit hantierte. Konsequenzen? Offenbar keine.
Unterdessen konzentrieren sich die Ermittlungen der Polizei auf zwei Personen. Dave Halls – der Regieassistent, der bereits bei Filmen wie „Fargo“oder „Matrix Reloaded“beteiligt war – hatte Alec Baldwin die Tatwaffe übergeben. Mit dem klaren Hinweis: „cold gun“. Was bedeutet – nicht geladen! Laut Gerichtsunterlagen wusste Halls nicht, dass Baldwins Waffe scharfe Munition enthielt. Experten erklärten, Halls hätte das leicht erkennen können, wenn er die Waffe selbst überprüft hätte. Halls wählte aus drei zur Verfügung stehenden Waffen aus, die Hannah Gutierrez vorbereitet hatte. Die Tochter des bekannten Filmwaffen-Experten Thell Reed war die zuständige Waffenmeisterin, die Hollywood auf Filmsets vorschreibt. Die 24-Jährige, die durch schlüpfrige Auftritte in sozialen Netzwerken für Zweifel an ihrer Seriosität sorgte, hatte in dieser Funktion erst einen größeren Film (mit Superstar Nicolas Cage) begleitet. Dabei soll es zu einem kurzen Produktionsstopp gekommen sein. Gutierrez habe einer jungen Schauspielerin (11) eine Requisiten-Waffe ausgehändigt, ohne sie protokollgemäß zu prüfen, schreibt das Magazin „The Daily Beast“.
Wie konnte eine scharfe Patrone in die Waffe gelangen? HollywoodAnwälte, die Unfall-Opfer bei Dreharbeiten betreuen, sagen: „Hier wurden eindeutig Sicherheitsprotokolle missachtet.“Die Fehlerkette reiche von Gutierrez über Halls bis zu Baldwin persönlich. „Er hätte niemals die Waffe auf eine andere Person richten dürfen.“