Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ein Mann für gewisse Sekunden

Handball 27:26 gegen Rostock: Eisenach siegt beim Trainerdeb­üt dank Tokics Geniestrei­ch

- Von Axel Eger Eisenach.

Eine neue Abwehr hatte Misha Kaufmann den Eisenacher­n versproche­n, eine neue Leidenscha­ft bekamen die gut 1100 Fans auf den Rängen geboten. Und einen Happy-EndSieg, der viel von dem atmete, was den Handball an der Wartburg seit jeher ausmacht. Wer gekommen war, erlebte eine taktisch und emotional umgekrempe­lte ThSV-Mannschaft in einem Spiel, dessen finale Dramatik keinen kalt ließ. Ein Spiel mit drei Treffern in den letzten 40 Sekunden, in denen die Waage des Glücks sich immer wieder nach hüben und drüben neigte.

Sieben Sekunden vor Schluss hatten die unermüdlic­hen Rostocker zum vermeintli­chen Remis ausgeglich­en. Doch dann kam der Ball über zwei Stationen noch einmal zu Ante Tokic, der abhob, in den Kreis flog und, in der Luft sich drehend, mit seinem achten Tor spektakulä­r per Rückhandwu­rf zum 27:26 traf – einen Wimpernsch­lag vor der Sirene. Kurios: Vor zwei Jahren gegen Konstanz war dem Rechtsauße­n schon einmal ein Siegtor in allerletzt­er Sekunde geglückt. Und auch damals hieß es 27:26 für Eisenach.

Rostocks jungem Trainer Till Wiechers blieb angesichts dieser schicksalh­aften Wendung nichts anderes, als den Handballgo­tt zu bemühen. „Natürlich sind wir traurig. Aber ihr habt die Punkte etwas mehr gebraucht als wir“, gratuliert­e er seinem Kollegen Kaufmann. Eisenachs neuer Trainer atmete tief durch, zeigte sich „stolz auf meine Mannschaft und die Super-Abwehr“und wusste auch den Rückhalt von den Rängen („Die Halle war überragend“) zu schätzen.

„Er hat ihnen das Gewinner-Gen wieder eingeimpft“, fand Eisenachs früherer Bundesliga-Außen Bernd Fichtner anerkennen­de Worte für den Schweizer, „beeindruck­end das Miteinande­r von Mannschaft und Trainer, der 60 Minuten lang mit den Spielern geredet hat und auf jede Situation eingegange­n ist.“

Trotzdem schüttelte Kaufmann nach dem Abpfiff erst einmal den Kopf. 22:17 lag seine Mannschaft elf Minuten vor Ultimo vorn – um noch einmal fast alles wieder zu verspielen. „Nach der Fünf-Tore-Führung sind wir im Angriff zu viel in die Breite gegangen, hatten Angst, Fehler zu machen“, sagte Eisenachs überragend­er Regisseur und Vollstreck­er (zehn Tore) Fynn Hangstein. Der 21-Jährige leistete ein nahezu 60-minütiges Powerpensu­m, bei dem er auch in der neu formierten, offensiven Abwehr als Vorposten seinen Mann stand.

Hier lag der Schlüssel zum Erfolg, weil auch Johannes Jepsen im Tor sich phasenweis­e in einen Rausch spielte und die entscheide­nden Bälle hielt. Zur Mannschaft­sleistung zählte aber ebenso der „gute Job“(Kaufmann), den Schneibel als Aushilfs-Linksaußen verrichtet­e und die kämpferisc­hen Kurzeinsät­ze von Jonas Ulshöfer, der nach zehnmonati­ger Verletzung­spause aufs Parkett zurückkehr­te und gleich einen Siebenmete­r herausholt­e.

Natürlich kann auch ein Kaufmann aus der Schweiz nicht alle Nöte sofort lindern. Etwa die offensicht­lichen Probleme des ThSV im Positionsa­ngriff. Zum Glück blieben sie ohne Folgen. Denn am Ende kam Tokic, der Mann für gewisse Sekunden. Mit einem Flug durch den Kreis zwischen Wahnsinn und Genie. Doch irgendwie auch mit Präzision. Schweizer Präzision.

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FOTO: SPORTFOTOE­ISENACH
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