Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Auf schmalem Grat
Die Impf-Ablehnung von Kimmich drängt das 4:0 des FC Bayern in den Hintergrund
Joshua Kimmich stand mit den Händen in der Jackentasche und ernster Miene vor dem Mikrofon und versuchte tapfer, seine ablehnende Haltung gegen eine Corona-Impfung zu erklären. Das souveräne 4:0 (2:0) seines FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim ohne den an Corona erkrankten Trainer Julian Nagelsmann, der den Rekordmeister aus seiner Küche zur nächsten Machtdemonstration lenkte, war da längst zur Nebensache geworden.
Er habe „persönliche Bedenken“, sagte der Nationalspieler bei Sky, „gerade was fehlende Langzeitstudien angeht“. Auch wenn er eine Impfung bisher ablehne, sei er sich seiner „Verantwortung bewusst“, ergänzte der 26-Jährige: „Ich halte mich an die Hygienemaßnahmen und werde alle zwei, drei Tage getestet.“Kimmich betonte, er sei „kein Corona-Leugner oder Impfgegner“und es sei daher „sehr gut möglich, dass ich mich bald impfen lasse“.
Dass ausgerechnet Kimmich, zusammen mit Leon Goretzka Gründer der viel beachteten und ausgezeichneten Initiative „WeKickCorona“, „ein paar Bedenken“äußerte, sorgte für reichlich Aufregung. Es waren überraschende Aussagen des Führungsspielers, die polarisieren und konträr zu allen Kampagnen des FC Bayern, aber auch der Deutschen Fußball Liga (DFL) im Kampf gegen die Pandemie laufen.
Er selbst sei ein „Impf-Freund“, sagte Kimmichs Teamkollege Thomas Müller. Er hoffe deswegen, „dass sich die Spieler, die jetzt noch nicht geimpft sind, das noch anders überlegen und sich ein Herz fassen“. Man wolle schließlich „aus dieser Corona-Phase rauskommen. Von meinem Wissensstand her ist die Impfung dafür die beste Möglichkeit.“Man müsse zwar „versuchen, das zu respektieren“, führte Müller weiter aus, aber es sei „ein schmaler Grat, eine ethische oder eine moralische Diskussion“. Die Entscheidung von Kimmich sei aber auf „menschlicher Ebene nachvollziehbar“.
Laut Bild sind fünf Münchner Profis ungeimpft. Für DFL-Boss Christian Seifert ein Unding. Es stehe „viel auf dem Spiel“, hatte er unlängst unterstrichen. Deshalb habe er „wenig Verständnis dafür, wenn man sich nicht impfen lässt“.
Dass Nagelsmann, der vergangenen Mittwoch trotz zweimaliger Impfung positiv auf COVID-19 getestet wurde, die Bayern auch aus seinem „Analysezentrum“in der heimischen Küche sehr erfolgreich coachte, ging bei der ganzen Debatte unter. Serge Gnabry (16.), Torjäger Robert Lewandowski (30.), Eric Maxim Choupo-Moting (82.) und Kingsley Coman (87.) unterstrichen die Münchner Dominanz.
Nagelsmann habe „immer wieder ins Spiel eingegriffen“, erzählte Ersatzchef Dino Toppmöller, der schon beim 4:0 in Lissabon an der Linie in der Verantwortung gestanden hatte: „Wir sind aber alle froh, wenn Julian schnellstmöglich zurückkommt – und ich wieder einen Schritt zurück machen kann.“Ob sich Nagelsmann bis zum PokalKlassiker am Mittwoch (20.45 Uhr/ ARD und Sky) in Gladbach aus der Isolation frei testen kann, ist jedoch offen. Nach fünf Tagen ist das unter bestimmten Voraussetzungen möglich – aber nur für Geimpfte.