Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Der Unbequeme
Skisprung-Olympiasieger Hans-Georg Aschenbach wird heute 70. Sein Fitness-Programm ist inzwischen die gesunde Ernährung
Der Thüringer Skisprung-Olympiasieger Hans-Georg Aschenbach ist auf dem besten Weg, ein Schwarzwälder zu werden. Im idyllisch gelegenen Waldkirch hat er als niedergelassener Hausarzt und Sportmediziner seine Praxis aufgebaut und für die Familie eine neue Heimat mit Wohlfühleffekt gefunden. Am heutigen Montag wird der Ausnahme-Skispringer, der 1988 aus der DDR in die Bundesrepublik geflohen ist und seit 1993 eine Arzt-Praxis in FreiburgMunzingen betrieb, 70 Jahre alt.
Der aus Brotterode stammende und beim ASK Oberhof zum TopAthlet gereifte Schanzen-Adler dominierte die 1970er-Jahre. Der Junioren-Europameistertitel 1969 im schwedischen Bollnäs stand am Beginn seiner einzigartigen Erfolgsserie mit dem Olympiasieg 1976, vier WM-Goldmedaillen, einem Gesamtsieg bei der VierschanzenTournee und neun Meistertiteln. Mit seiner Meinung und seinem Auftreten eckte er immer wieder an – bis er 1988 die DDR verließ.
Erstaunlicherweise freut sich der immer noch eitle viermalige Opa auf seinen 70. Geburtstag. „Mit dem 60. hatte ich mehr Probleme. Am Alter kann ich aber auch nichts ändern“, stellt er fest: „Schön wird mein Geburtstag aber vor allem wegen der Tatsache, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben drei Wochen
zusammenhängenden Erholungsurlaub machen werde. Zusammen mit meiner Frau Regina will ich schwimmen, tauchen, Fische ansehen, reine Erholung eben.“
Nach seiner Flucht 1988 wollte ihn die Stasi in die DDR zurückholen Doch mit zunehmendem Alter plagen ihn inzwischen auch schmerzhafte Rheuma-Beschwerden. Deshalb hat der einstige BewegungsJunkie seinen Lebensstil umgestellt. Der Kraftraum ist schon länger nicht mehr sein Lieblingsort: „Mein Fitness-Programm ist jetzt die gesunde Ernährung.“
Dass Aschenbach als Oberstleutnant der ranghöchste geflohene Offizier war, sorgte einst für zahlreiche
Aktivitäten in der Nationalen Volksarmee und Staatssicherheit, die insgesamt 2000 Blatt beschriebenes Papier über den Fahnenflüchtigen gesammelt haben. Er nutzte indes die neue Freiheit, um die jahrzehntelangen Doping-Praktiken in der DDR öffentlich anzuprangern.
Am 27. August 1988 stellte das Militärgericht einen Haftbefehl aus und löste einige Stasi-Aktivitäten aus, um Aschenbach zwangsweise zurückzuholen. Seine ÜbergangsWohnung in Freiburg wurde ausspioniert, exakte Karten mit möglichen Entführungswegen erstellt. Die Stasi schickte sogar einen guten Bekannten in den Westen: „Dass es ein guter Freund war, tat besonders weh.“Wegen jener Stasi-Aktionen kümmerten sich bis zur Wiedervereinigung zwei Personenschützer des BND um seine Sicherheit.
Seine Verbindungen zum Skispringen sind nur noch sporadisch. „Ich schaue mir die Springen lieber im Fernsehen an. Da sehe ich mehr und höre interessante Kommentare. Wie das beispielsweise Sven Hannawald macht, finde ich sehr gut.“In Waldkirch ist er inzwischen heimisch geworden, hat Freunde und als geschätzter Arzt einen neuen Bekanntenkreis gefunden. Sein Rat ist gefragt. Erst kürzlich wurde er vom Lions-Club als Referent verpflichtet. „Da ging es dann sogar weniger ums eigentliche Thema Motivation als vielmehr die gesunde Ernährung“, erzählt er lächelnd.