Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Eine Wunderkammer für den Fürsten
Kulturelle Einblicke Naturalienkabinett im Sondershäuser Schloss umfasst 8000 Objekte aus dem Reich der Tiere, Pflanzen und Steine
Zu Beginn der Renaissance entstanden in zahlreichen Herrscherhäusern Europas sogenannte Wunderkammern, berichtet die Leiterin des Sondershäuser Schlossmuseums Carolin Schäfer. Kaufleute und Forscher brachten von ihren Reisen in ferne Länder unbekannte und kostbare Gegenstände mit. Die Betrachtung der Sammlungen versprach Erbauung und ästhetischen Genuss.
Allein in Thüringen werden im ausklingenden 18. Jahrhundert gut zwei Dutzend nennenswerter Naturalienkabinette erwähnt. Hierzu zählt auch das Sondershäuser Kabinett, das ein Geschenk des Hofmarschalls und Kanzlers Maximilian Ernst von Hopffgarten war.
Die Schwarzburger schätzten ihr Naturalienkabinett sehr, was sich in der Anschaffung aufwendig gestalteter Ausstellungsmöbel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts äußert. Für die Betreuung der Sammlungen und der kleinen wissenschaftlichen Bibliothek seien eigens geeignete Kustoden eingestellt worden. Die über 8000 inventarisierten Objekte ermöglichten einen Exkurs in die drei Reiche der Natur: dem Reich der Tiere, der Pflanzen und der Steine, erzählt Carolin Schäfer.
Carl von Linnè, der schwedische Naturforscher, nahm nach einfacheren, meist äußeren Kriterien eine Systematisierung der Dinge vor. Einen Eindruck davon erhalten Besucher beim Betrachten der kleinen Mineralauswahl in der Vitrine rechts des Eingangs. Farbe, Geruch, Glanz und Geschmack waren hier die entscheidenden Kriterien für die Zuordnung der Objekte.
Im Naturalienkabinett werden auch Gegenstände aufbewahrt, die auch nach jahrhundertelanger Forschung ihr Geheimnis nicht preisgegeben haben, berichtet die Museumsleiterin.
So sei im 16. Jahrhundert in den Ruinen der Rothenburg im Kyffhäuser ein merkwürdiger Gegenstand ausgegraben, die Gestalt eines etwa 35 Kilogramm schweren und knienden Knabens aus Bronze. Der sogenannte Püstrich ist schätzungsweise 700 Jahre alt und stellt gemessen an den damaligen technischen Mitteln
eine handwerkliche Meisterleistung dar.
Die Figur sei innen hohl und könne etwa acht Liter Flüssigkeit fassen. Wenn man den Püstrich mit Wasser fülle, die zwei Öffnungen am Kopf mit Korken verschließe und alles auf ein sehr heißes Feuer setze, treibt der entstehende Wasserdampf die Pfropfen heraus. Heißer Dampf „pustet“in alle Richtungen und trifft mit lautem Zischen auf die glühenden Kohlen.
Viele Theorien gebe es über den wahren Zweck des Püstrichs. So meinen die einen er solle angenehm duftende Dämpfe verbreitet haben, die anderen sehen ihn als Stütze eines Taufbeckens, sagt Schäfer.
Auch in historischer Zeit erregte der Püstrich viel Aufsehen. Der an wunderlichen Gegenständen sehr interessierte Landgraf Moritz von Hessen lieh sich 1592 die Bronzefigur für Untersuchungen in seinem Laboratorium in Kassel aus. Dabei verlor der Püstrich seinen linken Arm. Derart beschädigt kam er erst nach langwierigen Verhandlungen zurück nach Sondershausen. „Die Frage seiner wirklichen Bestimmung werden wir nie ganz ergründen können – das macht den Püstrich auch heute noch zu einem spannenden und mystischen Objekt“, so Schäfer.
„Bei einem Experiment am Püsterich wurde die Hofküche in Brand gesteckt.“
Carolin Schäfer, Museumsleiterin