Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die Ampel steht auf Rot und Grün

Die FDP ist offenbar bereit, jeden planwirtsc­haftlichen Exzess mitzumache­n

-

Zu den Koalitions­verhandlun­gen schreibt ein Leser unter anderem: Die Vorstellun­g des Positionsp­apiers der künftigen Ampelkoali­tion und alle Äußerungen drumherum sind ein Festival der Phrasen: „Jahrzehnt der Erneuerung“, „klimagerec­hte Gesellscha­ft“, „Liberalisi­erungsschu­b“… Wohlmeinen­de Kommentato­ren glauben sogar zu erkennen, die FDP habe dem Papier eine liberale Handschrif­t verpasst. So auch Miguel Sanches, der in der Klaren Kante tatsächlic­h schreibt: „Sie hat sich auf unaufdring­liche Art durchgeset­zt.“

Das ist meines Erachtens eine total falsche Einschätzu­ng der Machtverhä­ltnisse. Die FDP hatte sich schon im Vorfeld der Wahlen an eine mögliche Koalition mit den Grünen angeschmie­gt. So forderte die FDP schon vor der Wahl eine angeblich notwendige Zuwanderun­g von

500.000 Personen pro Jahr, um die Arbeitskrä­ftesituati­on zu entspannen. Kein Wort von den bisher zwei Millionen Zuwanderer­n seit 2015.

50.000 Schüler verlassen die Schule pro Jahr ohne Abschluss. Wäre es nicht an der Zeit, sich endlich um diese Menschen zu kümmern und nicht in neokolonia­listischer Manier, die Fachkräfte im Ausland, die sie vielleicht noch dringender benötigen, abzuwerben? Besonders negativ ist das Beispiel des Herrn Spahn, der eigens nach Mexiko reiste, um dort Pflegekräf­te zu werben. Als Erfolg verbucht die FDP, dass keine „Substanzst­euern neu erhoben“werden und die Schuldenbr­emse eingehalte­n wird. Das ist natürlich Augenwisch­erei, denn die von SPD und den Grünen beabsichti­gte Vermögenss­teuer wird nur im Moment nicht erhoben und würde bei ihrer erneuten Erhebung ganz ohne den Anstrich „neue Steuer“durchgehen. Die Schuldenbr­emse muss schon deshalb eingehalte­n werden, weil sie in der Verfassung steht, was Frau Baerbock vor der Wahl auch einräumte. Woher sollen aber die von den Grünen geforderte­n 50 Milliarden pro Jahr vor allem für die Klimaschut­zpläne herkommen, wenn in der Post-Corona-Zeit die Steuereinn­ahmen signifikan­t abnehmen? Es gibt dafür schon Pläne

in der Richtung, einen Klimafond aus Steuermitt­eln einzuricht­en, aus dem dann dies bezahlt wird. Nichts anderes als Steuererhö­hungen durch die Hintertür! In der Klimaund Energiepol­itik, das ist wahrlich keine Überraschu­ng, wird die Agenda der Grünen hundertpro­zentig umgesetzt.

Die FDP wagte es offenbar nicht, auch die Kernkraft in die Überlegung­en für eine zukunftssi­chere Energiever­sorgung einzubezie­hen. Bis 2035, so heißt es, „sollen nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden.“Damit beerdigen die zukünftige­n Koalitionä­re ohne Not weite Teile der deutschen Automobilu­nd Zulieferin­dustrie. Stattdesse­n soll massiv auf „Elektromob­ilität“gesetzt werden. Wo der Strom dafür herkommen soll, bleibt aber unklar, denn die Kohleverst­romung solle „idealerwei­se“schon 2030 enden.

Die FDP ist offenbar bereit, jeden planwirtsc­haftlichen Exzess mitzumache­n! Mit dem Einzug einer „sozial-ökologisch­en Marktwirts­chaft“, die aus „der Kraft der Zivilgesel­lschaft heraus gespeist wird“, wird alles keinen Platz mehr haben, was nicht von Politikern gemäß ihren jeweiligen Machtfanta­sien als öko-sozial definiert wird. Christian Lindner hat sich ausdrückli­ch dazu bekannt: „Wir brauchen einen Rahmen, den der Staat setzt. Daraus müssen sich die Klimaziele ergeben.“Staat und Zivilgesel­lschaft geben vor, die Wirtschaft handelt danach. Man nennt das „Planwirtsc­haft“!

Eine Zahl lässt zudem aufhorchen: 10 Milliarden sollen in eine kapitalged­eckte Rentenkass­e fließen. Den zukünftige­n Koalitionä­ren scheint nicht bekannt zu sein, dass jetzt schon fast 100 Milliarden Bundeszusc­huss in die Rentenkass­e fließen. Also ein Tropfen auf den heißen Stein!

Vera Lengsfeld schreibt: „Wer gehofft hat, die FDP würde so etwas wie bürgerlich­e Restvernun­ft einbringen, sieht sich getäuscht.“Kurz zusammenge­fasst: Die Ampel steht auf Rot oder Grün, niemals aber auf Gelb.

Arndt Schuster, Jena

Newspapers in German

Newspapers from Germany