Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Großer Andrang bei Kinderärzten
Unsicherheit im Umgang mit Infekten führt zu überlaufenen Praxen
Kinderärztinnen und -ärzte haben derzeit so viele Patienten wie nie. Täglich müssten mehr als 100 vor allem kleinere Kinder in seiner Praxis versorgt werden, an manchen Tagen seien es fast 200 und damit ein Mehrfaches der üblichen Zahlen, sagt Wolfgang Karmrodt, Kinderarzt in Mühlhausen und Vizevorsitzender des Verbandes der Kinder und Jugendärzte (BVKJ). Das bestätigt auch Karmrodts Weimarer Kollege Dirk Rühling.
Gründe für den Ansturm sehen die Mediziner in einer pandemiebedingten Unsicherheit beim Umgang mit Infekten sowie in politischen Vorgaben. Nach den Betretungsregeln laut Corona-Infektionsschutzverordnung für Kinder- und Jugendeinrichtungen müssen Kinder beim Auftreten einzelner oder mehrerer definierter Symptome einem Arzt vorgestellt werden und dürften erst mit einer Gesundschreibung wieder in Kitas und Schulen zurückkehren. Anderenfalls droht eine fünftägige Quarantäne. Aus Unsicherheit werde dabei nicht mehr zwischen im Kindesalter üblichen Infekten und Corona-Symptomen unterschieden, so die Kinderärzte.
„Durch die corona-bedingte Isolation holen viele Kinder nicht nur Infekte nach. Auch viele Betreuende haben wohl verlernt, mit normalen Kinderkrankheiten umzugehen. Vielfach führt das zur völligen Überforderung unseres Personals, das an der Belastungsgrenze arbeitet“, klagt Karmrodt. Kinder dürften nicht als Bedrohung wahrgenommen und mit Dauertests, Quarantäne
und erneuter Isolation dafür verantwortlich gemacht werden, dass viele Erwachsene sich nicht impfen lassen, fügt Dirk Rühling hinzu. Im Namen ihrer Kolleginnen und Kollegen mahnen beide Mediziner zu mehr Gelassenheit im Umgang mit kindlichen Infekten. Dazu verweisen sie auf ein Handlungsschema des Thüringer Bildungsministeriums, wonach bei Symptomen wie kurzzeitig erhöhter Temperatur, Schnupfen oder leichtem Husten und Halskratzen eine Betreuung in Einrichtungen weiter möglich ist.