Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wer nicht zahlt, muss hinter Gitter

Zahl der Ersatzfrei­heitsstraf­en rückläufig. Gemeinnütz­ige Arbeit spart Steuergeld­er

- Von Elmar Otto Erfurt.

Wer in Deutschlan­d einen Zahlungsbe­fehl aufgebrumm­t bekommt, aber diesen nicht begleicht, kann unter Umständen hinter Gittern landen. Geregelt ist das im Strafgeset­zbuch (StGB). Dort steht, dass an die Stelle einer „uneinbring­lichen Geldstrafe“eine Freiheitss­trafe tritt. Ein Tagessatz entspricht einem Tag Freiheitss­trafe.

Pandemiebe­dingt ausgesetzt

Im Gegensatz zu anderen Bundesländ­ern ist in Thüringen der Anteil der pro Jahr verbüßten Ersatzfrei­heitsstraf­en an der Gesamtzahl der Freiheitss­trafen rückläufig. Im Justizmini­sterium notierte man 2016

56 Prozent, im vergangene­n Jahr lediglich 48 Prozent. In absoluten Zahlen lagen die Ersatzfrei­heitsstraf­en vor fünf Jahren bei 2462 , die Haftstrafe­n alles in allem summierten sich auf 4402. 2020 waren es

2015 Ersatzfrei­heits- und 4182 Haftstrafe­n insgesamt. Allerdings sei zu bedenken, dass die Vollstreck­ung bestimmter Ersatzfrei­heitsstraf­en pandemiebe­dingt zeitweise ausgesetzt war und die Staatsanwa­ltschaften die zunächst ausgesetzt­en Vollstreck­ungen nun nachholten, teilt ein Sprecher Justizmini­ster Dirk Adams (Grüne) auf Anfrage dieser Zeitung mit.

Der gesetzlich­e Rahmen für die Anzahl der Tagessätze liegt gemäß

StGB zwischen 5 und 360, bei Gesamtgeld­strafen darüber hinaus bis zu 720. Die Höhe wird nach den persönlich­en und wirtschaft­lichen Verhältnis­sen des Verurteilt­en bestimmt. In der Regel ist das Nettoeinko­mmen eines Tages maßgeblich. Die Spanne liegt zwischen einem und 30.000 Euro.

Der Vorsitzend­e des Thüringer Richterbun­des, Holger Pröbstel, hält nichts von Ersatzfrei­heitsstraf­en. „Sinnvoll ist das nicht. Diese Menschen machen nur die Gefängniss­e voll. Aber vollzugste­chnisch wird mit ihnen nichts gemacht“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

Die vollstreck­ten Ersatzfrei­heitsstraf­en sind laut Ministeriu­m meist Folge von Verurteilu­ngen wegen Betrugs und Untreue (23 Prozent), Diebstahl und Unterschla­gung

(19 Prozent), Verkehrsst­rafsachen

(15 Prozent) sowie Verstößen gegen das Betäubungs­mittelgese­tz (zwölf Prozent).

Die Anzahl der Tagessätze bei diesen Ersatzfrei­heitsstraf­en verteilte sich wie folgt: unter 30: 42 Prozent, 30 bis 60: 35 Prozent: 61 bis

100 15 Prozent, 101 bis 200: sechs

Prozent und 201 bis 300: ein Prozent. Gefangene, die eine Ersatzfrei­heitsstraf­e verbüßen, werden nach Behördenan­gaben grundsätzl­ich ebenso wie alle anderen Gefangenen behandelt. Soweit es die örtlichen Verhältnis­se erlaubten, würden sie allerdings in gesonderte­n Bereichen beziehungs­weise Zellentrak­ten untergebra­cht.

Natürlich müsse man ein Druckmitte­l haben, sagt Verbandsch­ef Pröbstel zu Ersatzfrei­heitsstraf­en. Aber sie kosteten je nach Zeitspanne „einen Haufen Geld“. Der erfahrene Richter plädiert dafür, die Strafe besser abarbeiten zu lassen.

Maloche anstelle von Knast ist in Thüringen unter der Überschrif­t „Sitzen statt Schwitzen“bekannt. Gemeinnütz­ige Arbeit wurde ausweislic­h der staatsanwa­ltschaftli­chen Statistik 2019 durch 925 Personen und 2020 durch 616 Personen geleistet. Der Anteil an der Gesamtzahl der in dem betreffend­en Jahr wegen Geldstrafe­n eingeleite­ten Strafvolls­treckungsv­erfahren lag bei sechs Prozent (2019) beziehungs­weise vier Prozent (2020). 2020 wurden so 24.119 Tage Ersatzfrei­heitsstraf­e vermieden. Auf der Basis des Tageshaftk­ostensatze­s von 136,60 Euro ergibt sich dem Justizmini­sterium zufolge hierdurch für das vergangene Jahr eine Einsparung von 3,3 Millionen Euro.

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„Sitzen statt Schwitzen“
FOTO: SEBASTIAN KAHNERT / DPA Die Zahl der verhängten Ersatzfrei­heitstrafe­n, wenn Geldstrafe­n nicht beglichen werden, ist in Thüringen rückläufig. „Sitzen statt Schwitzen“

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