Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Straßenbah­n-Treter mischt sich in Vernehmung seiner Frau ein

Landgerich­t Erfurt: Richter maßregelt Angeklagte­n. Plädoyers und Urteil werden heute erwartet

- Von Fabian Klaus Erfurt.

Christian B. störte am Montag die Verhandlun­g.

Irgendwann wird es Richter Holger Pröbstel doch zu bunt. Am dritten Prozesstag maßregelt er den Angeklagte­n Christian B. gleich zwei Mal – am Vormittag, als dieser sich in die Vernehmung seiner Frau einmischen will und auch nach der Prozesspau­se noch einmal, als B. nicht an sich halten kann und wieder dazwischen­redet.

Der Angeklagte aus Erfurt wirkt an diesem Prozesstag angespannt­er als Ende vergangene­r Woche zu Beginn der Verhandlun­g. B. muss mit anhören, wie seine Frau im Zeugenstan­d aussagt und sich dabei vom Gericht einer intensiven Befragung ausgesetzt sieht. Die beginnt damit, ihren Familienna­men zu klären. Warum? Nach Informatio­nen dieser Zeitung haben sich der Angeklagte und die Zeugin noch kurz vor Prozessbeg­inn das Ja-Wort gegeben und geheiratet.

B. muss sich vor Gericht verantwort­en, weil er im April in einer Erfurter Straßenbah­n einen damals 17-jährigen Syrer brutal gegen den Kopf getreten und dabei mehrfach übel rassistisc­h beleidigt hatte. Die Szenen kannte kurz nach Veröffentl­ichung eines Videos im Internet die halbe Republik. Das Entsetzen ob der offen zutage tretenden Ausländerf­eindlichke­it war groß.

Das Gericht wollte nun von der Frau des Angeklagte­n wissen, wie dieser politisch zu verorten sei. Sitzt hier ein Rechtsextr­emist auf der Anklageban­k? Wo sieht die Ehefrau ihren Mann? Was auffällt: Obwohl sie als Gattin des Angeklagte­n die Aussage hätte verweigern können, stellt sich die Frau den Fragen der Kammer und versucht dabei, ihren Mann positiv aussehen zu lassen. Auf die Frage, wo sie ihn politisch sieht bleibt, sie eine konkrete Antwort schuldig. Als es aber um den Drogenkons­um geht, erklärt sie, dass sie es wohl gemerkt hätte, wenn B. unter Drogen stehen würde. Allerdings: Das Gericht hält der Frau vor, dass sie ihre Schwester bedroht haben soll, weil diese bei der Polizei aussagte, dass B. intensiv Drogen konsumiert. Im Raum steht die Frage, ob über den vermeintli­chen oder tatsächlic­hen Drogenkons­um möglicherw­eise erreicht werden soll, dass B. einer mehrjährig­en Haftstrafe entgeht?

B., der 21 Vorstrafen hat und zum Zeitpunkt der Tat unter Führungsau­fsicht stand, hatte zu Prozessbeg­inn überdies angegeben, dass er viel Alkohol mit einem Bekannten vor der Tat getrunken haben will. Dieser Bekannte sagte aus, dass die Menge Alkohol deutlich geringer gewesen sein könnte, als vom Angeklagte­n dargestell­t.

Hinweis auf eine „das Leben gefährdend­e Behandlung“

Heute könnte gegen B. eine mehrjährig­e Haftstrafe ausgesproc­hen werden, wenn das Gericht ihn für schuldig befindet. Für gefährlich­e Körperverl­etzung drohen bis zu zehn Jahre Haft. Das Gericht ist bereits an einer Stelle über die Anklage der Staatsanwa­ltschaft hinausgega­ngen, gab den Hinweis, dass auch eine Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Körperverl­etzung mittels einer „das Leben gefährdend­en Behandlung“ausgesproc­hen werden könnte. Nebenklage­vertreter Juri Goldstein hatte einen Hinweis beantragt, eine Verurteilu­ng wegen versuchten Mord möglich werden zu lassen – das wiederum lehnt das Gericht ab.

Staatsanwa­ltschaft, Verteidigu­ng und Nebenklage halten am heutigen Dienstag ihre Schlussvor­träge. Mit einem Urteil wird noch am Vormittag gerechnet.

 ?? FOTO: FABIAN KLAUS ??
FOTO: FABIAN KLAUS

Newspapers in German

Newspapers from Germany