Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Wann kommt die Booster-Impfung für alle?

Nur wenige haben bislang die dritte Dosis gegen Corona erhalten. Experten fordern jetzt deutlich mehr Tempo

- Von Alessandro Peduto Berlin.

Die vierte Corona-Welle nimmt in diesen Herbsttage­n deutlich an Fahrt auf, während Deutschlan­d beim Impfen weitgehend auf der Stelle tritt. Am Wochenende lag die bundesweit­e Sieben-Tage-Inzidenz bei den Neuansteck­ungen erstmals seit Mai wieder im dreistelli­gen Bereich. Am Montag vermeldete das Robert-Koch-Institut (RKI) dann einen erneut angestiege­nen Wert von 110 Neuinfekti­onen pro

100.000 Einwohner binnen einer Woche. Die Tendenz bei den Ansteckung­en geht klar nach oben.

6573 Neuinfekti­onen wurden am Montag registrier­t.

Betroffen sind fast alle Altersgrup­pen. Besonders beunruhige­nd ist aber, dass es auch bei den Älteren und Hochbetagt­en erneut zu mehr Ansteckung­en kommt. Bei den über 90-Jährigen war die Inzidenz laut RKI zuletzt wieder auf 64 angestiege­n, bei den 85- bis 89-Jährigen auf 46. Zum Vergleich: Mitte Juni

„Drittimpfu­ngen müssen jetzt so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden.“

Susanne Hennig-Wellsow, Linke-Vorsitzend­e

lag der Wert bei 1.

Viele in diesem Alter sowie zahlreiche Menschen mit schweren Vorerkrank­ungen und Immunschwä­che gehören zur Corona-Hochrisiko­gruppe und konnten sich deshalb als Erstes gegen Covid-19 impfen lassen. Doch liegt die Verabreich­ung der zweiten Dosis in vielen Fällen bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Damit schwindet die Schutzwirk­ung des Vakzins gegen schwere Krankheits­verläufe. Eine dritte Impfdosis zur Auffrischu­ng vor den kritischen Wintermona­ten ist in vielen Fällen angezeigt, um Impfdurchb­rüche und Erkrankung­en zu verhindern.

Aber ähnlich wie das Impfen insgesamt kommt auch das sogenannte Boostern nur schleppend voran. Gerade einmal 1,6 Millionen Menschen haben nach neuen RKI-Zahlen bislang eine Auffrischu­ngsimpfung gegen Corona erhalten. Die Jüngeren sind in Deutschlan­d ohnehin noch nicht an der Reihe. Für sie gibt es keine Empfehlung für eine Corona-Drittimpfu­ng. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach fordert angesichts der aktuellen Entwicklun­g erheblich mehr Tempo, um besonders Risikogrup­pen mit einer Auffrischu­ngsimpfung für die kommende Zeit besser zu schützen. „In Anbetracht der steigenden Fallzahlen auch bei Älteren ist eine neue Impfkampag­ne zur Nutzung der Booster-Impfungen in dieser Altersgrup­pe jetzt unbedingt nötig“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. Auch die Bundesregi­erung forderte Ältere und Menschen mit Vorerkrank­ungen am Montag auf, das Angebot einer Auffrischu­ngsimpfung wahrzunehm­en.

Wie viele Menschen in Deutschlan­d brauchen eine Booster-Impfung? Folge man der Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), „müssten jetzt sehr schnell die

4,1 Millionen Personen, die bis zum

31. März zwei Impfungen erhalten haben, eine dritte Impfung bekommen“, sagte der Vorsitzend­e des Zentralins­tituts für die kassenärzt­liche Versorgung (Zi), Dominik von Stillfried, unserer Redaktion. Derzeit erhielten rund 250.000 Menschen pro Woche die dritte Impfung. „Um die Stiko-Empfehlung umzusetzen, müssten es bis Ende Dezember rund doppelt so viele sein“, betonte von Stillfried.

Seit wann werden Booster-Impfungen empfohlen? Und für wen?

Die Stiko empfiehlt seit 7. Oktober grundsätzl­ich eine Auffrischu­ngsimpfung für alle ab 70 Jahren. Dasselbe gilt für Bewohnerin­nen und Bewohner von Altenheime­n sowie für Pflegekräf­te und das Personal in medizinisc­hen Einrichtun­gen mit direktem Patientenk­ontakt. Für alle ab 12 Jahren gibt es derzeit nur eine Stiko-Empfehlung für eine Erstund Zweitimpfu­ng. Aktuell sind 66,2 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g geimpft, 69,1 Prozent haben mindestens eine Dosis erhalten. „Drittimpfu­ngen müssen jetzt so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden, die aktuellen Corona-Zahlen sind erschrecke­nd“, sagte Linke-Chefin Susanne HennigWell­sow unserer Redaktion. Ähnlich wie Lauterbach forderte auch sie, für die dritte Impfung müsse „genauso geworben werden wie weiterhin auch für die erste und zweite“.

Der Präsident der Vereinigun­g der Notfallmed­iziner (Divi), Gernot Marx, sagte unserer Redaktion mit Blick auf die Kliniken, durch eine Drittimpfu­ng des Personals seien vulnerable Patienteng­ruppen besser geschützt und die Ansteckung­sgefahr geringer. „Entspreche­nd messen wir der Booster-Impfung einen sehr wichtigen Part in der Bekämpfung der Pandemie bei“, so Marx.

Wo werden die Auffrischu­ngsimpfung­en in Deutschlan­d vorgenomme­n? Hauptanlau­fpunkt sind die niedergela­ssenen Haus- und Fachärzte. In den Praxen wurden laut RKI-Statistik bisher die meisten Booster-Impfungen vorgenomme­n – rund zwei Drittel. Rund ein Drittel waren es in Impfzentre­n, Krankenhäu­sern oder über mobile Teams. Bei Betriebsär­zten wurden indes nur wenige Tausend Corona-Auffrischu­ngsimpfung­en vorgenomme­n. Wer den dritten Corona-Piks plant, vereinbart einen Termin. Etliche Hausärzte kommen auch direkt auf ihre Patienten zu. Wie bisher ist es Ärztinnen und Ärzten in Einzelfäll­en nach eigenem Ermessen erlaubt, auch Personen eine Drittimpfu­ng zu verabreich­en, für die es keine Stiko-Empfehlung gibt. An die Frist von sechs Monaten nach der letzten Corona-Impfdosis hält sich aber eine Mehrheit der Ärzteschaf­t beim Boostern. Ausreichen­d Impfstoff ist inzwischen vorhanden. Wie bei den ersten beiden Dosen werden die Kosten auch für die Drittimpfu­ng von den Krankenkas­sen übernommen.

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FOTO: GENTSCH / PA/DPA Viele Ältere benötigen eine Auffrischu­ng ihrer Corona-Schutzimpf­ung. Experten beklagen, dass dies zu wenig genutzt wird.

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