Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Impfung: So unbegründet ist die Angst vor Langzeitfolgen
Joshua Kimmich hat mit seinen Bedenken eine Debatte losgetreten. Wissenschaftler sprechen von einem „Missverständnis“
Persönliche Bedenken – „gerade was fehlende Langzeitstudien angeht“. So hat Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich vom FC Bayern München erklärt, warum er sich bisher nicht gegen Covid-19 hat impfen lassen. Zwischen den Zeilen kann das nur bedeuten: Der 26Jährige befürchtet Langzeitfolgen.
„Joshua Kimmich ist sicher ein Fachmann in Fragen des Fußballs, aber kein Fachmann in Fragen der Impfung und der Impfstoffe“, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, am Montag. Dennoch habe der Fußball-Profi mit seinen Bedenken ein Problem angesprochen, das sicher bei manchen Menschen so gesehen werde.
Wenn ein Impfstoff zur Anwendung an Menschen freigegeben wird, gebe es begleitende Studien, die genau untersuchten, ob es dabei zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen könne, betonte der Stiko-Vorsitzende. „Dass es bei der Anwendung eines Impfstoffes über knapp ein Jahr keine ZehnJahres-Beobachtungsstudien geben kann, ist klar.“Das gelte aber ebenso für jeden anderen Impfstoff, der neu angewendet werde, wie auch für jedes neue Medikament.
„Neben den Zulassungsstudien wissen wir aus den begleitenden Studien, dass es nur zu einigen Nebenwirkungen gekommen ist, die alle recht kurze Zeit nach der Impfung aufgetreten sind“, sagte Mertens weiter. Gemeint sind nicht nur Kopfschmerzen oder Fieber, sondern auch Sinusvenenthrombosen, bei denen es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn kommt, oder Herzmuskentzündungen. Beide seltenen Nebenwirkungen sind als Warnhinweis markiert. In der Wissenschaft sei man sich darüber hinaus einig, so Mertens, dass spät auftretende Nebenwirkungen nach einer Impfung nicht vorkommen oder eine extrem seltene Rarität seien.
Der Immunologe Carsten Watzl spricht mit Bezug auf Kimmichs Äußerungen von einem „Missverständnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält“. Was man bei Impfungen unter Langzeitfolgen verstehe, seien Nebenwirkungen, die zwar innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung aufträten, die aber so selten seien, dass es Jahre brauche, bis man sie mit der Impfung in Verbindung bringe, so Watzl. Auch er wies darauf hin, dass Nebenwirkungen einer Impfung immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auftreten. „Danach ist die Immunreaktion abgeschlossen und der Impfstoff ist aus dem Körper verschwunden.“
Impfstoff wird binnen 50 Stunden im Körper abgebaut
Dieses Prinzip gelte grundsätzlich auch für die relativ neuen mRNAImpfstoffe, erklärte der Leiter des für Vakzine zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, im ZDF. Auch deren Bestandteile würden im Körper innerhalb von etwa 50 Stunden abgebaut. Was bleibe, sei die Immunreaktion des Körpers.
Die mRNA könne sich auch nicht ins menschliche Genom integrieren, erklärt das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Denn die Erbinformationen des Menschen befänden sich in Form von DNA im Zellkern, dorthin gelange die mRNA gar nicht. Zudem habe sie eine andere chemische Struktur.
Der große Vorteil bei den Impfungen gegen Corona sei, so Carsten Watzl, „dass wir diesen Impfstoff in kurzer Zeit bei vielen Menschen angewendet haben“. In Deutschland seien es über 100 Millionen Dosen, weltweit mehr als sechs Milliarden. Watzl: „Hätten wir jedes Jahr nur zehn Millionen Impfungen durchgeführt, könnte es sein, dass man seltene Nebenwirkungen erst viel später erkannt hätte.“