Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Alarmstufe Rot an Erfurts Gymnasien
Im kommenden Sommer fehlen 170 Plätze. Dennoch werden keine Container aufgestellt
Hisst die Stadtverwaltung bei den fehlenden Gymnasialplätzen die weiße Flagge? Im kommenden Sommer stehen 600 Plätze an Erfurter Gymnasien einer geschätzten Nachfrage von 768 Schülern gegenüber. Nach der Absage an die Schulcontainer, die am Gymnasium 10 aufgestellt werden sollten, fehlt derzeit jeder Ansatz, das Defizit abzubauen.
Im aktuellen Schuljahr betrug das Defizit im Sommer rund 40 Plätze. Ein Ausgleich war gerade noch möglich, vor allem, weil eine zusätzliche fünfte Klasse am HeinrichHertz-Gymnasium aufgenommen wurde.
„Eine weitere Lösung existiert derzeit nicht“, heißt es auf Nachfrage von der Stadtverwaltung. „Eine Erweiterung der Gymnasialkapazität durch Container war nur auf dem Schulgelände des Gymnasiums 10 möglich.“Die Schulcontainer am Herrenberg sollten zumindest etwas Linderung bringen. Vier Unterrichtsräume und sanitäre Anlagen waren auf dem Schulhof geplant. Sie sollten eine dauerhafte Dreizügigkeit erlauben, für die im kommenden Sommer zwei Räume und in den beiden Folgejahren noch einmal jeweils ein Raum fehlen.
Die Absage der Container im jüngsten Bildungsausschuss überraschte nicht nur die Bildungspolitiker
im Stadtrat. Wie unsere Zeitung erfuhr, traf die Nachricht auch die Schule gänzlich unvorbereitet. Dort hatte man sich auf die Zusage verlassen, dass die Container ab Februar stehen.
Verworfen wurden die Container aus Geldgründen. Das erläutert zumindest das Bildungsamt. „Die Anschaffung der Container wurde aus Kostengründen (wie viele andere
Maßnahmen aus dem Schulnetzplan) nicht in den Haushalt 2021 aufgenommen“, heißt es auf unsere Anfrage. Im Erfurter Finanzdezernat klingt das etwas anders. Am Geld könne es nicht liegen, mutmaßte in der Vorwoche Finanzdezernent Steffen Linnert (SPD). Er sei selbst von der Nachricht überrascht worden, dass die Container nun doch nicht kommen. Aktuell ist Linnert im Urlaub.
Im Gymnasium 10 schrillen nun die Alarmglocken. Es wächst noch und hat erst in diesem Schuljahr die Klassenstufe 12 erreicht. Es gibt aber nur eine Abschlussklasse.
Ohne neue Räume könnte dien Schule demzufolge im Sommer auch nur eine fünfte Klasse neu aufnehmen. Eltern und Lehrer sorgen sich bereits, dass aus der Not heraus Fachkabinette aufgegeben werden sollen und dass das so ambitioniert gestartete Gymnasium zu einer
„Lernkaserne“wird, wie eine Lehrkraft es formuliert.
Mittelfristig soll das Gymnasium sogar vier Parallelklassen haben. Dazu muss aber zunächst die benachbarte Grundschule 3 an den Standort Muldenweg umziehen, der wiederum erst saniert werden müsste. Im Schulnetzplan, der längst Folklore ist, steht der Sommer 2023 als Umzugstermin. Die aktuelle Prognose geht bestenfalls vom Sommer 2027 aus.
Echte Entspannung bei den Gymnasialplätzen kann erst der Schulneubau an der Greifswalder Straße bringen. „Dieser ist nicht vor dem Schuljahr 2026/27 zu erwarten“, heißt es von der Stadtverwaltung.
Derzeit besuchen in Erfurt rund
1900 Schülerinnen und Schüler die Klassenstufe 4. Bei der üblichen Übertrittsquote auf Gymnasien von
40 Prozent würden im Sommer 786 Plätze benötigt. Die 456 Plätze an Staatlichen Gymnasien und die 144 Plätze an den kirchlichen Gymnasien addieren sich auf 600 Plätze.