Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Nicht mehr so musterhaft
Das hat der Fußball-Bundesliga gerade noch gefehlt, dem Sport und dem gesamten Land.
Man darf annehmen, dass Profifußballer Joshua Kimmich um die Dynamik weiß, die Worte am Mikrofon entwickeln können. Durch sein aufrichtig wie aufrecht wirkendes Bedenken-Bekenntnis hat er eine Lawine in Gang gesetzt, die vielleicht schwer zu stoppen ist.
Deren gefährliche Wirkung entfaltet sich weniger in dem Tatbestand, dass der Bayern-Star persönliche Ablehnung gegenüber dem Impfen äußert, auch wenn seine Gründe dafür von Unwissen getragen sind. Er befeuert eine Debatte, die das Land seit Monaten fest im Griff hat und tief spaltet.
Es geht darum, wie weit das Leben beschnitten werden darf und wer den Preis dafür bezahlt.
Der überwiegende Teil der Bevölkerung versucht, Freiheiten zurückzugewinnen, indem es Immunität durch Impfschutz aufbaut. Ein Teil aber beansprucht dieselben Freiheiten. Nur einen Piks, den sollen sich bitte die anderen abholen.
Die Zerrissenheit kommt zigfach in Familien vor. Durch die Äußerungen des Nationalspielers geht es im Kern nun auch um die Frage, wie privat es sein kann, sich in solchen Zeiten wie diesen fürs Impfen oder eben dagegen zu entscheiden. Und auch darum, ob es FußballBundesligisten moralisch zusteht, Personen mit Tests den Stadionzutritt zu verwehren, wenn die eigenen Spieler die Ausnahme bilden.
Joshua Kimmich kann genauso frei wählen, wie es Ottonormalverbraucher darf. Das Bild des Musterprofis erscheint im Wissen um die Vorbildwirkung aber durch seine skeptische Haltung nicht mehr so musterhaft.
Und sie liefert den Funken, dass Diskussionen um Sonderrechte des Fußballs wieder groß aufflammen.
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