Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Im Schatten von Romy Schneider

Sarah Biasini war vier Jahre alt, als die Mutter vor ihren Augen starb. Jetzt schrieb sie ein Buch über die Film-Ikone

- Von Oliver Stöwing Berlin.

„Ich sehe ein großes Sofa, jemand liegt darauf, und eine riesige Spinne, die mit ihren Beinen den liegenden Körper bedeckt. Eine Kindheitse­rinnerung. Die Spinnenbei­ne sind die Rettungssa­nitäter, die sich um sie kümmerten.“Der Körper ist jener von Filmlegend­e Romy Schneider. Es ist ihre Tochter Sarah, die die Szene beobachtet. Die Kleine ist noch nicht einmal fünf. Später kommt ihr Vater, Schneiders ExMann Daniel Biasini, zu ihr und erzählt ihr, was sie schon weiß. Ihre Mutter, gerade 43 Jahre alt, ist tot. Herzinfark­t, schreibt der Arzt an diesem 29. Mai 1982 auf den Totenschei­n. Gestorben an gebrochene­m Herzen, macht die Weltöffent­lichkeit daraus. Ihr Sohn Christophe­r war ein Jahr zuvor mit 14 Jahren verunglück­t, als er über einen Zaun klettern wollte.

Jetzt, fast 40 Jahre später, ist Sarah Biasini in ein Berliner Hotel gekommen, um über ihr Buch zu sprechen. „Die Schönheit des Himmels“ist gerade auf Deutsch erschienen. Biasini offenbart darin intime Gedanken und Gefühle für ihre Mutter. Als sie den kleinen Salon betritt, bekommt die Binsenweis­heit, dass man in seinen Kindern weiterlebt, ihre Bedeutung. Es sind diese großen Augen, tief wie ein Ozean, die Romy Schneider plötzlich präsent machen. Man möchte es ihr sagen, aber tut es nicht. Kinder aus berühmtem Haus schätzen es selten,

immer wieder in Zusammenha­ng mit den Eltern gebracht zu werden, selbst wenn sie diesen Zusammenha­ng selbst herstellen. Auch Biasini scheint sich bei den ganzen Fragen nach ihrer Mutter unbehaglic­h zu fühlen, verweist immer wieder darauf, dass ja alles in ihrem Buch stehe.

Ihre Erinnerung­en an ihre Mutter seien traumartig, blitzartig­e Assoziatio­nen. „Geräusche, Gerüche. Der Duft von Babycreme“, sagt sie. Liebevoll sei sie gewesen. „Sie hat viel gelacht.“Biasini will auch das Bild ihrer Mutter korrigiere­n, das die Welt von ihr bewahrt: das einer zwar enorm talentiert­en, aber dem Verderben geweihten jungen Frau, ausgebeute­t, abhängig, fragil.

Die heute 44-Jährige wuchs bei ihrem Vater auf, jenseits des Rampenlich­ts. Sie entschied sich eines Tages, ebenfalls Schauspiel­erin zu werden. Warum? „Weil es ein guter Beruf ist“, sagt sie. „Orientiere­n sich nicht viele Kinder an ihren Eltern?“Aber was hat dieser Beruf mit ihrer Mutter gemacht? „Es war nicht der Beruf“, sagt sie. „Es war die Presse.“Die Paparazzi? „Die Journalist­en“, korrigiert sie.

Film über ihre

Mutter war „Bockmist“

Das Ausmaß, wie Romy Schneider von Fotografen verfolgt wurde, nahm Tumulte um heutige Popstars wie Britney Spears bereits vorweg. Sie lauerten auf Bäumen ihres Grundstück­s, einer schlich sich nach dem tödlichen Unfall ihres Sohnes als Pfleger verkleidet in die Klinik.

Doch ihr größtes Presse-Desaster erlebt Romy Schneider mit Journalist­en, die sie selbst eingeladen hat. In desolatem Zustand empfängt sie 1981 Reporter in ihrem Hotel in Quiberon. „Mal ehrlich, Mama, ist deine Badekur der richtige Moment dafür?“, wendet sich Biasini in ihrem Buch an ihre Mutter. Ist er nicht. Romy Schneider bricht während des Gesprächs in Tränen aus über ihr verpfuscht­es Leben. Diese Zeit in der Bretagne greift der preisgekrö­nte Film „3 Tage in Quiberon“mit Marie Bäumer auf. Biasini mag ihn nicht. „Er ist Fiktion und hätte als solche deklariert werden müssen.“In ihrem Buch klingt das noch ungleich zorniger. Von „Bockmist“schreibt sie, bei dem sie sich „vor Wut in die Hand gebissen“hätte. „Ist das alles, was euch eingefalle­n ist? Gibt es etwa nur diese Phase ihres Lebens zu erzählen?“

Biasini kehrt nun nach Paris zurück, in ihr eigenes Leben, zu Mann und Tochter. Als sie vor vier Jahren nach vielen Versuchen schwanger wurde, habe sie sich entschloss­en, das Buch zu schreiben. Eine Therapie sei das nicht für sie gewesen. „Ich hätte es nicht schreiben können, wenn ich nicht schon geheilt gewesen wäre.“Ihre Tochter sei ein fröhliches Kind, das viel lache. So wie Biasini ihre Mutter in Erinnerung hat.

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Romy Schneider Filmlegend­e als 31-Jährige.
Sarah Biasini (44), Romy Schneiders einziges lebendes Kind, in einem Hotel im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
FOTO: IMAGO FOTO: RETO KLAR / FUNKE FS J Balvin Romy Schneider Filmlegend­e als 31-Jährige. Sarah Biasini (44), Romy Schneiders einziges lebendes Kind, in einem Hotel im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
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Gedanken an die tote Mutter: „Die Schönheit des Himmels“.

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