Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Zeiten ändern sich
Liebe Leserinnen, liebe Leser. Lassen Sie uns weit zurückblicken auf den 19. November 1972. An dem Tag wurde der 7. Bundestag gewählt und erstmals zog Wolfgang Schäuble als Abgeordneter ins Parlament ein. Damals – es waren die Zeiten von Willy Brandt – durften in der Bundesrepublik erstmals junge Menschen ab 18 ihre Stimme abgeben. Zuvor hatte das Wahlalter bei 21 gelegen.
Heute reden wir über die Frage, ob das Wahlalter auf 16 gesenkt werden soll. Und Schäuble ist noch einmal ins Parlament eingezogen – in den mittlerweile 20. Bundestag. Damit ist er der dienstälteste Abgeordnete. Und seit 2017 ist klar, dass die Alterspräsidentschaft eben nicht mehr am Jahrgang, sondern an der Zahl der Jahre im Parlament festgestellt wird. Heißt: Es gibt im Bundestag einen Abgeordneten der AfD, der das Licht der Welt früher als Schäuble sah. Ausweislich der Seite afdbundestag.de/wortlaut-der-umstrittenen-passage-der-rede-von-alexander-gauland hatte er bei seiner Rede am 2. Juni 2018 im thüringischen Seebach gesagt: „Ja, wir bekennen uns zu unserer Verantwortung für die 12 Jahre. Aber, liebe Freunde, Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte.“Bei manchen ändert die Zeit wenig …
Ich habe erst jenem zugehört, der sich für ihn aussprach. Dann kamen Carsten Schneider von der SPD und Michael Grosse-Bröhmer (CDU). Beide machten klar, warum Schäuble der legitime Alterspräsident sein sollte. Schäuble hielt eine sehr gute Rede – und ist jetzt nur noch Hinterbänkler. Zeiten ändern sich. g.sommer@tlz.de