Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Im Fadenkreuz des Gegners
Fußballmannschaften schotten sich ganz gerne ab, damit auch ja niemand beim Training zuschauen kann. Ein neuer Spielzug, eine veränderte Taktik – all das muss der Gegner nicht vorher wissen. Aber es gibt ja Mittel und Wege. 1981, als der Hamburger Sportverein die Bundesliga dominierte und den Europapokal gewann, schwebten Boulevard-Journalisten in einem Hubschrauber über den Platz. Eigentlich wollte der legendäre Ernst Happel von der Außenwelt abgeschirmt seine Ideen vom modernen Abwehrspiel umsetzen.
Aus Angst vor einem geheimen Angriff des Gegners im Zuge der Olympischen Winterspiele im Februar in Peking schaltete nun der Deutsche Ski-Verband (DSV) sogar den Bundesnachrichtendienst ein. „Wir bringen ja sensible Daten mit“, begründete Alpin-Chef Wolfgang Maier jüngst bei der Einkleidung der Nationalmannschaft in Schwäbisch Hall: „Wen sollst du sonst dazu fragen? Wir mussten uns an irgendwen wenden.“
Der Vorschlag der Geheimdienstler war so einfach wie einleuchtend. Man solle einfach jegliche Daten wie etwa zum Wachsen von Skiern oder zu Fragen der Materialforschung zu Hause zu lassen und Geräte mit nach China nehmen, „auf denen nur das Notwendigste drauf ist“, erklärte Maier.
Manchmal lauert die Konkurrenz im eigenen Lager und zwingt zur Geheimhaltung. Im Bobsport ist das so. Vor den Winterspielen 2018 gastierte die deutsche Mannschaft zum Weltcup-Auftakt in Nordamerika – und das Team in zwei verschiedenen Garagen. Die Piloten fuhren einerseits mit Schlitten des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin, aber eben auch mit Geräten der Firma Hannes Wallner. Damals kam es soweit, dass Gerd Leopold als Trainer von Olympiasieger Francesco Friedrich nicht mit zu allen Tests durfte, die auch in den Windkanälen von BMW und VW stattfanden.
Die untergegangene DDR ließ sich nicht so einfach abwimmeln und baute den ersten künstlich angelegten Wildwasserkanal der Welt in Augsburg einfach nach, um bei Olympia 1972 ausgerechnet beim Klassenfeind vier Goldmedaillen abzuschöpfen. Vorausgegangen war eine bittere Enttäuschung bei den vorolympischen Wettbewerben im Sommer 1971, als es nur zwei Bronzene gab und die DDRKanuten mit den speziellen Bedingungen nicht zurechtkamen.
Der damalige Verbandstrainer Werner Lempert fuhr ein paar Wochen später selbst nach Augsburg, wie er einmal dem Spiegel erzählte. Mit Fotoapparat, Bleichstift, Notizblock und Zollstock bewaffnet, spazierte er über die Anlage und machte den Hausherren weiß, er wolle im Auftrag des Kanuverbandes den Fortschritt der Bauarbeiten auf dem Olympiagelände in Augenschein nehmen. Zu Hause in Zwickau-Cainsdorf aber entstand in gerade einmal drei Monaten Bauzeit ein Nachbau, der den Heimvorteil der bundesdeutschen Athleten zunichte machte.
Der Sport bietet ganz nebenbei in noch viel größeren Dimensionen die Gelegenheit heimlich mitzuhören. Als Athen im Jahre 2004 die Sommerspiele ausrichtete, zapfte der US-Geheimdienst NSA gleich die Kommunikation eines ganzen Landes an, wie später die Snowden-Dokumente enthüllten.
Aber auch in den Olympischen Dörfern lässt sich einiges an Informationen auftreiben. Bei den Spielen 2012 in London wurde das Reinigungspersonal angewiesen, verdächtige Beobachtungen wie gebrauchte Spritzen und Nadeln zu melden. Immer wieder war es in den Jahren zuvor nämlich vorgekommen, dass die Putzkolonnen in den Unterkünften der Athleten oder Umkleideräumen auf solch belastendes Material gestoßen waren. Wie ergiebig die Aktion verlief, ist nicht überliefert.
Manchmal ist es hilfreich, nicht jeder technischen Neuerung hinterherzulaufen. Stefan Horngacher, der Cheftrainer der deutschen Skispringer, genießt jene Gelassenheit sozusagen auch zur Spionageabwehr. Als jüngst seine alpinen Verbandskollegen die Konversation mit dem Bundesnachrichtendienst offenbarten, lehnte sich der Österreicher entspannt zurück: „Ich hab´ mein schlaues Buch dabei, das ist handschriftlich, das funktioniert immer.“