Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
„Das beste Team, in dem ich je gespielt habe“
Interview der Woche Neuzugang Jordi Ruiz prägt das Spiel der Thuringia Bulls und hat mit ihnen Großes vor
Dominanter als die RSB Thuringia Bulls in der Rollstuhlbasketball-Bundesliga kann man kaum in eine Saison starten. Fünf Spiele, fünf Siege und das aberwitzige Punkteverhältnis von 521:237, also im Schnitt 104:47 pro Spiel, stehen zu Buche. Der Kurs vor dem anstehenden Gipfeltreffen mit Titelrivale RSV Lahn-Dill geht für die Elxlebener klar in Richtung fünften deutschen Meistertitel in Folge.
Einer, der an der Dominanz einen wesentlichen Anteil hat, ist Jordi Ruiz Jordan. Der spanische Neuzugang drückt dem Spiel der Bulls bereits seinen Stempel auf. Wir sprachen mit dem 30-Jährigen über seine bisherige Karriere, warum die Bulls vielleicht das beste Team sind, in dem er je gespielt hat, eine kontroverse Szene bei den Paralympics in Tokio, seinen angestrebten ersten Champions-League-Titel und warum er schon vor seinem Wechsel mit Bulls-Kapitän André Bienek befreundet war.
Wie kam es, dass Sie Rollstuhlbasketballer wurden?
Ich hatte mit 16 einen Fahrradunfall, der mich in den Rollstuhl brachte. Im Krankenhaus hat ein Team Rollstuhlbasketball präsentiert. Ich habe es ausprobiert und fand es großartig. Es war für mich der Weg in ein neues Leben.
Ein Leben, das Sie zu acht Vereinen in Spanien und Italien gebracht hat. Warum wurden ausgerechnet die Bulls im Sommer Ihr neunter?
Wir haben am Rande unserer Spiele gegeneinander immer mal darüber gesprochen. Ich habe immer gedacht, das wäre ein sehr guter Klub für mich, der perfekt zu meinen Fähigkeiten passen würde. Deshalb habe ich im Sommer meine Komfortzone, meine Heimat Spanien verlassen und bin nach Deutschland
gegangen, um endlich auch internationale Titel zu gewinnen.
Die Bulls standen Ihnen diesbezüglich in der Champions League mehrfach im Weg, etwa 2018 im Finale, das sie gegen Ihr damaliges Team Madrid gewannen. Wie haben Sie als Gegner über sie gedacht?
Dass es ein verdammt gutes Team ist, das man lieber nicht zum Gegner haben will (lacht).
Dieser Eindruck dürfte sich nun schon bestätigt haben.
Ja. Ich bin so froh, hier zu sein, alle sind so talentiert. Ich würde sogar sagen, es ist das beste Team, in dem ich je gespielt habe. Es gefällt mir sehr gut hier, ich freue mich darauf, Land und Leute kennenzulernen.
Bulls-Coach Michael Engel hat erzählt, dass Sie schon Deutsch lernen. Haben Sie einen Satz parat?
Der erste, den ich gelernt habe, ist „Wir sind ein Team!“, das sagen wir immer im Spielerkreis. Ich bringe mir die Sprache momentan selbst bei, und sie ist echt ziemlich schwierig. Aber ich bleibe dran, damit ich mit allen besser ins Gespräch kommen kann, die Kultur und Geschichte besser verstehe.
Ein Ehrgeiz, den Sie auch auf dem Spielfeld zeigen und der Sie dort zur „eierlegenden Wollmilchsau“gemacht hat. Wer oder was half Ihnen dabei, ein solcher Allrounder, der seinem Team eigentlich in allen basketballerischen Facetten helfen kann, zu werden?
Dass ich schon bei einigen Vereinen gespielt habe, hat mir sicher dabei geholfen. Man lernt viele Spieler mit verschiedenen Stärken kennen, viele Trainer mit unterschiedlichen Philosophien und Taktiken. Man spricht mit ihnen darüber und nimmt sich von allen ein bisschen was mit. Zudem arbeite ich hart und will mich immer verbessern.
Mit Bulls-Kapitän André Bienek spielten Sie bereits vor acht Jahren in Italien bei Briantea Cantú zusammen. Ist er ein Freund geworden?
Würde ich schon sagen. Wir sind seitdem in Kontakt geblieben und ich freue mich, dass er hier ist.
Er hat für uns per Tagebuch von den Paralympics in Tokio berichtet. Dort trafen Sie mit Spanien im Viertelfinale auf sein deutsches Team. Dass der deutsche Trainer den Rollstuhl Ihres Mitspielers Asier Garcia beanstandete, hat Ihr Team richtig angestachelt, Sie kamen weiter. Haben Sie über diese kontroverse Szene auch mit Bienek diskutiert?
Nein. Ich hatte ein sehr gutes Spiel und war sehr fokussiert, um mein
Land ins Halbfinale zu führen und gegen drei meiner künftigen Teamkameraden zu überzeugen. Ich war für sie traurig, denn sie hätten auch das Zeug zu einer Medaille gehabt, aber die Szene war kein Thema.
Ein großes Thema ist dagegen das am Samstag anstehende Duell der Bulls beim nationalen Titelrivalen RSV Lahn-Dill in Wetzlar. Was wissen Sie über den Gegner?
Ich habe schon oft gegen sie gespielt, sie waren immer sehr strukturiert und defensivstark. Wir sind favorisiert, aber wir müssen auf der Hut sein. Es ist eines der meistbeachteten Spiele der Rollstuhlbasketballwelt, ich freue mich drauf.
Und über welche Schlagzeile über die Bulls und sich selbst würden Sie sich am Saisonende freuen?
Die Thuringia Bulls gewinnen alle Titel, und Jordi Ruiz war ein wichtiger Faktor für den Teamerfolg.
Was dem im Wege stehen könnte, scheint außer Ihnen selbst nur Corona zu sein. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung und wie war die Situation in Spanien?
Natürlich sind wir sehr vorsichtig und man kann sich wegen der Pandemie leider nie sicher sein, dass die Saison normal durchgespielt werden kann. Umso bemerkenswerter war es, dass sowohl in Deutschland als auch in Spanien die vergangene Saison so gut über die Bühne ging und es keine schweren Fälle gab. Da haben die Verbände, die Klubs und die Spieler eine große Leistung und starke Mentalität gezeigt.
Planen Sie, nach den vielen Vereinswechseln längerfristig in Elxleben zu bleiben?
Die Bulls sind eine große Herausforderung für mich. Wenn ich hier glücklich und erfolgreich bin, kann ich mir vorstellen, länger zu bleiben. Der Start war vielversprechend.