Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Thüringer Jusos wollen raus aus „Dauerwahlkampf-Modus“
SPD-Nachwuchs kritisiert rot-rot-grünes Minderheitsbündnis und Berliner Ampel. Verband künftig mit Doppelspitze
Gut vier Jahre hat Oleg Shevchenko die Jusos in Thüringen geführt. Am Samstag beim Parteitag in Gera tritt der 26-Jährige nicht mehr an. Wenn man es ernst meine, gehöre bei einem Jugendverband der Wechsel einfach dazu, sagt er. Um seine Nachfolge bewirbt sich erstmals eine Doppelspitze. Melissa Butt und Maximilian Schröter wollen dabei als gleichberechtigtes Team agieren, wie sie selbst betonen.
Zum Abschied hat Shevchenko, der nach dem Master in Betriebswirtschaftslehre mittlerweile bei der Aufbaubank arbeitet, noch einmal maßgeblich am Leitantrag des
Landesvorstands mitgewirkt. Und der hat es in sich. Er kritisiert sowohl die bisherigen Ergebnisse der potenziellen Berliner Koalitionäre SPD, Grüne und FDP als auch das Agieren des rot-rot-grünen Minderheitenbündnisses im Freistaat.
„Wir begrüßen manche Vorhaben, die in den Sondierungen vereinbart wurden: 12 Euro Mindestlohn, Kinderrechte ins Grundgesetz und ein Demokratiefördergesetz. Aber das ist bei weitem nicht ausreichend, damit die Ampel von Gelb auf Rot springt. An den entscheidenden Stellen krankt die selbsterklärte Fortschrittskoalition“, heißt es im „Dem Morgen Rot entgegen“überschriebenen Papier. Darin ist auch von einer auf 30
Stunden herabgesetzten Wochenarbeitszeit die Rede – bei vollem Lohnausgleich. Die umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie, um jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, spielt ebenfalls eine Rolle. Zudem sei nicht erst seit der Corona-Pandemie klar, dass das Gesundheitssystem überarbeitet und eine Bürgerversicherung eingeführt werden müsse. Auch die Ergebnisse bei der Klimapolitik reichen dem SPDNachwuchs nicht aus. „Wir müssen den CO2-Preis anheben, verbunden mit sozialen Ausgleichsmaßnahmen, feste CO2-Budgets einführen und schnellstens auf erneuerbare Energien umsteigen“, fordern sie.
Von den Thüringer Koalitionspartnern verlangen die Jungsozialisten, den „Dauerwahlkampf-Modus“untereinander zu beenden. „Es braucht eine Landesregierung, die mehr in der Sache kämpft, als sich mit sich selbst beschäftigt“, sind sie überzeugt. Was Shevchenko damit unter anderem meint: verpflichtende Tests auch in den Kindergärten. „Ich bin sauer, dass Helmut Holter das nicht einsieht“, sagt er in Richtung des linken Bildungsministers.
Etwa 800 Mitglieder haben die Thüringer Jusos. Um die 50 werden in Gera als Delegierte erwartet. Aller Voraussicht nach werden sie Dann das neue Führungsduo wählen. Die 24-jährige Butt studiert in Ilmenau Medienwissenschaften, der Nordhäuser Politikwissenschaftler Schröter (27) arbeitet als Referent im Wirtschaftsministerium. „Für uns ist das Herausforderung und Ansporn, solidarische Politik für die Menschen zu gestalten, die unter systematischen Problemen leiden oder mit den gesellschaftlichen Umwälzungen nicht mehr Schritt halten können“, schreiben sie. Gegenkandidaten gibt es bislang nicht. Bewerbungen sind noch möglich.