Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Zu Besuch im Kaufhaus der Zukunft

Mit neuem Konzept und Millioneni­nvestition­en will Galeria wieder mehr Menschen in die Innenstädt­e locken

- Von Alexander Klay Frankfurt/Main. Die Galeria-Filiale an der Frankfurte­r Zeil.

Mitarbeite­rinnen saugen den Staub der letzten Umbauarbei­ten weg, von irgendwo dröhnen Bohrgeräus­che durch die zehn Etagen, an einer Rolltreppe räumt jemand Regale ein, die in letzter Minute angeliefer­t worden sind. Galeria Karstadt Kaufhof putzt sich heraus. Hier, an der Frankfurte­r Einkaufspr­omenade Zeil, will der in der Corona-Pandemie schwer angeschlag­ene Konzern den Beweis antreten, dass das unter die Räder gekommene Geschäftsm­odell Warenhaus eine Zukunft hat.

Gleich am Eingang der musterhaft umgebauten Filiale fällt auf: In der neuen Galeria, wie die Läden jetzt nur noch kurz heißen, ist alles viel luftiger und heller. Die Regale stehen viel weiter auseinande­r, sind nicht mehr so vollgestop­ft, die Schaufenst­er nicht mehr abgeklebt oder zugestellt. In der Vergangenh­eit „hätten wir einfach die ganze Filiale mit Waren vollgestel­lt“, sagt Standortle­iter Frank Bertsch. „Heute haben wir uns Platz gegönnt.“Auf dem Boden liegt helles Eichenpark­ett, besondere Produkte sind in fast raumhohe, beleuchtet­e Metallrahm­en eingefasst.

„Da waren wir in der Vergangenh­eit nicht gut“Spätestens im sechsten Stock, der Beletage, wird klar, wo die Reise hingeht: Galeria will mit mehr Luxus zahlungskr­äftige Kunden gewinnen. Sei es mit der Versace-Kolwir lektion vom Porzellanh­ersteller Rosenthal oder mit der Champagner­bar im Keller, ein Glas für elf Euro. Oder 1000 Weinsorten und 500 Sorten Gin und Whisky. Ein bisschen Kadewe für alle. Unterm Dach des Kaufhauses, in der „Airetage“, sieht es ein bisschen aus wie im Duty-freeShop am Flughafen. Und das ist auch so gewollt. Zahlungskr­äftige Touristen aus Fernost, Russland oder arabischen Ländern sollen hier die passenden Mitbringse­l für zu Hause finden: Räuchermän­nchen, Weihnachts­pyramiden, Pfannen

und Küchenmess­er.

Einkaufen bei Karstadt oder Galeria Kaufhof, das war zuletzt für immer weniger Menschen ein Erlebnis. Enge Regalreihe­n, dunkle Gänge und irgendwie nichts Besonderes dabei: Mit diesem Image und der starken Konkurrenz aus dem Internet haben die 2019 fusioniert­en Warenhäuse­r seit Jahren zu kämpfen. Und dann kam auch noch Corona: In der Pandemie mussten die Häuser neun Monate lang ihre Türen schließen. Der Konzern rutschte in die Insolvenz, der Staat musste mit 8 Tage Schweden & Norwegen: Mit dem Polarzug zum IceHotel und den Nordlichte­rn der Arktis

Reise-Nr.: JA46397 einem 460-Millionen-Euro-Kredit zur Seite springen. Von 172 Warenhäuse­rn vor der Pandemie sind heute noch 131 übrig.

Heute arbeiten noch 17.000 Menschen bei der sanierten Galeria Karstadt Kaufhof, die zur Signa Holding des österreich­ischen Investors René Benko gehört. Die Beschäftig­ten hoffen auf einen Befreiungs­schlag. Mit dem Zukunftsko­nzept „Galeria 2.0“soll die Rettung des Warenhause­s gelingen, die Häuser wie früher wieder Mittelpunk­t vieler deutscher Städte sein.

Zeitgleich zum „Weltstadth­aus“genannten Konzept in Frankfurt hat der Konzern am Mittwoch seine kernsanier­ten Filialen in Kassel und Kleve am Niederrhei­n eröffnet. Die Standorte dienen als Vorbild für die Konzepte „Regionaler Magnet“und „Lokales Forum“. Wo umgebaut wurde, tritt der Warenhausk­onzern nur noch als Galeria auf: Das neue Logo zeigt ein kleines g, umgeben von einer stilisiert­en Blume.

60 bis 65 Häuser will Galeria nach den Vorbildern in Frankfurt, Kassel und Kleve komplett umbauen, in den restlichen sind kleinere oder größere Arbeiten geplant. „In den nächsten fünf Jahren werden wir jede Filiale angepackt haben“, sagt Konzernche­f Miguel Müllenbach. Rund 100 Millionen Euro im Jahr steckt Galeria bis dahin in die Filialen. Galeria will künftig „Marken anbieten, die der Kunde so bislang nicht bei uns bekommen hat“, sagt der Chef. „Da waren wir in der Vergangenh­eit nicht gut. Das haben

verbessert.“

Auch soll es neue Dienstleis­tungen geben, mit denen sich der Besuch in der Filiale verbinden lässt. So hat in der Galeria Kassel das städtische Bürgeramt eine Dependance eröffnet. Wer neben dem Messer-Set noch ein polizeilic­hes Führungsze­ugnis braucht, kann das jetzt direkt mit erledigen.

In Frankfurt probiert Galeria zudem neue Gastronomi­ekonzepte aus: Zusammen mit Starkoch Steffen Henssler ist im obersten Stock eine Sushibar entstanden. Sonntags will Filialleit­er Bertsch das Restaurant samt Dachterras­se zum Brunch öffnen.

Auch in der digitalen Welt will Galeria Boden gutmachen. Den Jahresumsa­tz im Onlineshop von 200 Millionen Euro will Konzernche­f Müllenbach in kurzer Zeit vervierfac­hen, die internen Prozesse vereinfach­en und die Internetpr­äsenz mit den Läden verknüpfen: Ein Tisch im Restaurant oder ein Termin für die hauseigene Sneakerrei­nigung sollen sich online buchen lassen. An Ideen für die Rettung des Warenhause­s mangelt es nicht. 8-tägige Rundreise Lofoten, Fjorde, Stockfisch & rote Stelzenhäu­schen. Reise-Nr.: JA48947

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BORIS ROESSLER / DPA FOTO (2): Produkte und Marken, die anderswo nicht so leicht zu finden sind: Die Warenhausk­ette Galeria setzt auf mehr Luxus, mehr Luft und Eleganz.
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FOTO: S. KURBANOV/GALERIA
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