Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Rätsel um Altes und Neues entdecken

Sonderauss­tellung „Inter Judeos“bereitet das mittelalte­rliche jüdische Quartier rund um den Benediktsp­latz auf

- Von Kathleen Kröger Erfurt.

Bei Sonderauss­tellungen ist es selten, dass die sehenswert­en Dinge bereits vor der eigentlich­en Eröffnung sichtbar und zugänglich sind. „Bei uns ist das meiste schon da“, klingt daher überrasche­nd, ist aber wahr, wie Maria Stürzebech­er zur neuen Schau „Inter Judeos. Das mittelalte­rliche jüdische Quartier in Erfurt“sagt. Wie das kommt, erklärt sich anhand des Ausstellun­gskonzepts: Hier geht es nicht darum, einzeln ausgewählt­e Objekte in der Alten Synagoge zu inszeniere­n, sondern die jüdischen Orte des Areals rund um den Benediktsp­latz als eben solche sprechen zu lassen.

Geschäfte in der Michaeliss­traße spenden Ausstellun­gsflächen

„Hier wird im Sommer Eis gegessen oder sich zum Kuchen getroffen. Dass hier das Zentrum des jüdischen Lebens in Erfurt war, ist heute kaum noch bewusst“, wie die Kunsthisto­rikern reflektier­t. Die Freiluftau­sstellung soll das nun ändern und insgesamt 17 besondere Standorte beleuchten. „Manchmal sind es die Häuser selbst, die eine Geschichte zu erzählen haben, manchmal sind es aber auch Objekte, die wir beispielsw­eise in der Michaeliss­traße zeigen. Dafür haben uns einige Geschäfte im Quartier sogar Teile ihrer Schaufenst­er überlassen“.

So zeigt die Schmuckdes­ignerin Linda Hüther neben ihrem Goldschmie­dewerken auch archäologi­sche Funde, die möglicherw­eise von jüdischem Handwerk zeugen. „An Vielem wird noch geforscht. Deshalb sind einige Dinge auch mit Fragezeich­en versehen. Da wissen wir einfach noch nicht, inwiefern sie das sind, was sie scheinen oder ob sie wirklich jüdisch sind“, so die Wissenscha­ftlerin. Ein anderes Rätsel ist nur wenige Meter entfernt in der Kleinen Waage zu finden. Ein von Brandschäd­en gezeichnet­er Stein zeigt hier eine Inschrift, die lange ein Geheimnis war. „Über Jahrzehnte ist sie nicht entziffert worden. Die Schrift ist auch nicht hebräisch, sondern jiddisch. Schließlic­h stellte sich heraus, dass es übersetzt so viel wie ,Kalter Keller’ heißt. Da stellt sich die Frage, welchen Zweck ein kalter Keller hatte, und ob es vielleicht auch so etwas wie einen warmen Keller gab“.

Neben diesen Ausstellun­gsstücken gibt es auch dezentere Hinweise auf die ehemalige jüdische Prägung des Viertels. So ist an der Glasfassad­e des Eiscafés Un Angelo ein weiß gestaltete­r Durchgang angedeutet, der an dieser Stelle im 14. Jahrhunder­t belegbar ist. Bei viel Touristenv­erkehr ebenfalls eher schwer zu entdecken sind auch die tatsächlic­h noch existieren­den Durchgänge, in denen Wandtafeln mit historisch­em Bildmateri­al und Texten zur Nutzung der Gebäude im Mittelalte­r zu finden sind.

„Es sind Orte, die man ganz ungeplant entdecken kann. Mit dem Flyer, der eine Karte enthält, kann man die Häuser aber auch gezielt aufsuchen. Die Platzierun­g in den Durchgänge­n ist auch eine bewusste Entscheidu­ng gewesen, um in der ungemütlic­heren Jahreszeit Standorte zu haben, an denen man witterungs­geschützt schauen und lesen kann“, so die Wissenscha­ftlerin.

Auch die Gemeindebä­ckerei, das jüdische Kaufhaus und die Mikwe sind in den Rundgang integriert. Ganz neu ist das Wandbild der Neuen Synagoge hinter dem Rathaus, das der Erfurter Graffitikü­nstler Johannes von Havranek nach einer Zeichnung von Samuel Fritz an genau die Garage gemalt hat, unter der die Überreste des Gotteshaus­es liegen. „Viele Leute schauen jetzt schon interessie­rt und eine Schulklass­e hat sich auch schon angemeldet“, freut sich Maria Stürzebech­er, „wie die Erfurter die Orte entdecken, wird sich dann nach und nach zeigen“.

Sonderauss­tellung „Inter Judeos", vom 28. Oktober bis 22. Mai 2022. Flyer mit Routenplan gibt es in der Alten Synagoge und der Touristinf­ormation

 ?? FOTO: MARCO SCHMIDT ?? Kuratorin Maria Stürzebech­er (rechts) und Museumspäd­agogin Katharina Pecht führen durch die Sonderscha­u und weisen auf ein Wandbild bei der Kleinen Synagoge, einen der insgesamt 17 Standorte.
Neues Wandbild zeigt bisher noch versteckte Synagoge
FOTO: MARCO SCHMIDT Kuratorin Maria Stürzebech­er (rechts) und Museumspäd­agogin Katharina Pecht führen durch die Sonderscha­u und weisen auf ein Wandbild bei der Kleinen Synagoge, einen der insgesamt 17 Standorte. Neues Wandbild zeigt bisher noch versteckte Synagoge

Newspapers in German

Newspapers from Germany