Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Der Kopf muss zwischendurch mal abschalten können, also sollte man auch nicht unbedingt Podcasts, Videos oder Zeitungsartikel konsumieren.
Als Konzentration bezeichnen wir die Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zur Zeit zu fokussieren und alles andere auszublenden. „Diesen Zustand länger als zwei Stunden am Stück aufrecht zu erhalten, ist jedoch grob unrealistisch“, sagt der Neurowissenschaftler, Biochemiker und Buch-Autor Henning Beck.
Die Konzentrationsfähigkeit unterliege Schwankungen, weil Nervenzellen Zeit brauchen, um sich verschiedenen Reizen anzupassen. Statt zu versuchen, die ganze Zeit konzentriert zu sein, sollte man lieber lernen die Hochs und Tiefs der eigenen Konzentrationsfähigkeit clever zu nutzen. „Es ist ähnlich wie beim Sport, wo man ja auch immer einen Wechsel zwischen Anstrengung und Entspannung braucht“, sagt Beck. Genauso brauche unser Gehirn zwischendurch Entspannungsphasen, um zu regenerieren und Gelerntes zu verarbeiten. „Deswegen ist ein intervallartiges Arbeiten, wo man zwischen hoher und niedriger Konzentration abwechselt, eigentlich am besten.“Während der Tiefphase könne man leichte Arbeiten machen.
Auch Pausen seien gut investierte Zeit, weil man danach wieder konzentrierter weiterarbeiten kann, so Beck. Der Coach und Autor Thomas Mangold empfiehlt konkret, jede Stunde eine kurze Pause von fünf Minuten zu machen, um sich zu strecken, Augen und Gehirn zu entspannen. „Dabei sollte man dann möglichst nicht auf einen Bildschirm starren, auch nicht auf das Handy.“Auch die Mittagspause mit Bewegung zu verbinden, kann helfen. Wichtig: „Der Kopf muss zwischendurch mal abschalten können, also sollte man auch nicht unbedingt Podcasts, Videos oder Zeitungsartikel konsumieren“, rät Mangold.
Frühaufsteher oder Nachteule: Der Biorhythmus ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und beeinflusst die Zeiten, zu denen man sich besonders gut konzentrieren kann. Manche Leute sind eher morgens produktiv, andere dagegen abends. „Das kann man gut ermitteln, indem mal eine Zeit lang ein Tagebuch oder eine Liste darüber führt und dann für sich nutzen“, rät Mangold. Wirklich verändern kann man seinen Biorhythmus jedoch kaum. „Man kann sich zwar einen anderen Rhythmus antrainieren, das ist aber äußerst mühsam und nicht unbedingt empfehlenswert. Vernünftiger ist es, den Tagesablauf an den Biorhythmus anzupassen“, sagt Mangold. Leider sind weder unser Arbeits- noch Schulsystem dem menschlichen Biorhythmus perfekt angepasst, was dann auch erklärt, weshalb man sich mit dem Aufstehen morgens oft so schwer tut. „Allerdings ist unsere Konzentrationsfähigkeit zwei Stunden nach dem
Aufstehen im Schnitt besonders hoch“, so Mangold.
Schlaf und Ernährung sind ebenfalls wichtige Faktoren, die unsere Konzentrationsfähigkeit beeinflussen. „Der Körper erholt sich im Schlaf und braucht dafür Intervalle von 1,5 Stunden. Also sollte man sich seinen Wecker am besten in Abständen von 6 Stunden, 7,5 Stunden oder 9 Stunden stellen und da eine Regelmäßigkeit einhalten“, sagt Mangold. Mahlzeiten zu planen ist ebenfalls hilfreich. Unser Gehirn verbrauche etwa 20 Prozent der Kalorien, die wir aufnehmen, und diese zu verarbeiten, koste Energie. Vor Aufgaben, die eine hohe Konzentration erfordern, verzichtet man laut Mangold deshalb besser auf große Mahlzeiten.
Ist man aufgeregt, verpufft die Konzentrationsfähigkeit, egal ob man sich freut oder trauert. „Emotionen sind automatisierte Reaktionen auf Reize und dienen dazu, einen bestimmten Reiz besonders schnell zu verarbeiten“, sagt Beck. Diese Anstrengung überlagere dann alles andere im Gehirn. Stress hingegen steigert die Konzentrationsfähigkeit vorübergehend, aber Vorsicht: „Stress ist eine biochemische Scheuklappe, die unsere Wahrnehmung verengt, um mit einer als bedrohlich empfundenen Situation so schnell wie möglich fertig zu werden“, sagt der Neurowissenschaftler. Deswegen handeln wir in Stresssituationen besonders entschlossen und schnell. Im Job oder Studium kommt uns das aber nicht immer zugute. „Bei einer Prüfung oder Präsentation
ist es ja nicht der Inhalt, sondern die Situation, die den Stress verursacht, deswegen überlagert der Stress dann unsere Fähigkeit, uns auf den Inhalt zu konzentrieren.“Am besten simuliert man die Prüfungssituation also vorher, um sich daran zu gewöhnen. Ruhe zu bewahren hilft unserer Konzentrationsfähigkeit immer noch am meisten.
Beim Sport wird die Gehirnaktivität ins Bewegungszentrum gelegt und das Denkzentrum entlastet. Stefan Schneider (Deutsche Sporthochschule Köln) vergleicht dies mit einem Reset eines Computers, dessen Arbeitsspeicher überlastet ist. Durch den Neustart stehe nach dem Sport dann wieder die volle Denkkapazität zur Verfügung. Vor allem gleichmäßige Bewegung hilft.
Einen Teil der besseren Gehirnleistung können Wissenschaftler auch durch die kurzfristige Wirkung von Sport erklären: Das Gehirn wird besser mit Sauerstoff versorgt. Das erhöht deutlich die Leistungsfähigkeit des Nervensystems. Ein Spaziegang reicht bereits.
Der Begriff stammt interessanterweise schon aus der Zeit kurz vor Corona. Aus soziologischer Sicht ist Normalität immer eine Konstruktion, es kommt darauf an, ob sie sich zum Beispiel als Normalarbeitszeit oder -verhältnis durchsetzt. Normalisierungsprozesse sind schleichend. Früher gab es beispielsweise die Sechs-Tage-Woche, heute gilt im Allgemeinen noch die Fünf-Tage-Woche. Wenn etwas eine Weile in der Welt ist, erscheint es uns als normal. Was gerade normal ist, merken wir wiederum erst, wenn jemand von der Norm abweicht und sanktioniert wird.
Wir brauchen so etwas wie Normalität. Sie ist nicht nur Konstruktion. Ganz ohne Normen hätten wir Anomie, also Gesetzlosigkeit. Es müssen nur genug Menschen bereit sein, Normalitätsvorstellungen als anders-normal zu akzeptieren. Wo Arbeitgeber zuvor noch der Meinung waren, Anwesenheit im Büro sei zwingend erforderlich, stellt sich jetzt heraus: Homeoffice ist möglich. Genau das hat Corona gelehrt: Es geht so, aber anders geht es auch.