Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Kurzer Prozess gegen Demonstranten am Amtsgericht Gera
Klage wegen Beleidigung eines Polizisten wird eingestellt. In einem anderen Berufungsverfahren könnte eine höhere Strafe drohen
Keine halbe Stunde dauert am Freitag am Amtsgericht Gera der Prozess gegen einen 41-Jährigen, der wegen Beleidigung angeklagt ist. Er soll am 2. Mai während einer nicht genehmigten Demonstration in Gera unter anderem ein Plakat mit der Abbildung eines verantwortlichen Polizisten in Häftlingskleidung und der Aufschrift „Schuldig“mitgeführt haben.
Die Anklage wirft ihm Beleidigung vor. Die Darstellung sei eine öffentliche Missachtung des Betroffenen und verletze diesen in seiner Ehre, heißt es zur Begründung. Der Angeklagte räumt das Plakat ein, den Vorwurf der Beleidigung weist er zurück. Er wollte gegen die Polizeigewalt am Rande von Demonstrationen protestieren und sehe in dem gezeigten Polizisten einen Verantwortlichen dafür, erklärt er. Sein Schild war als Karikatur gedacht.
Der Richter räumt ein, dass auch Schmähkritik möglich sei, allerdings in einem engen Rahmen. Der Bundesgerichtshof habe strenge Grenzen gezogen, an die er sich halten müsse. Aus seiner Sicht wäre eine Strafverfolgung nach dem Kunsturhebergesetz der bessere Weg gewesen. Ein „gezieltes, nichtgenehmigtes Zeigen von Personen“könne verboten sein. Der Prozess folgt einem „beschleunigten Verfahren“.
Das soll dann angewendet werden, wenn die Rechtslage übersichtlich ist, damit die Strafe zügig einer Tat folgen kann.
Beim Verlesen des Zentralregisterauszugs werden für den Angeklagten 18 Einträge bekannt, unter anderem Verurteilungen wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Betrugs und Diebstahls.
Zudem kommt ein weiterer Prozess zur Sprache, der seit April am Landgericht Gera gegen den 41-Jährigen als Berufungsverfahren geführt wird.
„Sieht die Staatsanwaltschaft irgendwelche Möglichkeiten?“, erkundigt sich der Richter. Die Anklägerin betont, dass aus ihrer Sicht die angeklagte Darstellung eine Beleidigung sei. Letztlich stellte die Staatsanwaltschaft aber den Antrag, das Verfahren einzustellen, weil in dem anderen Prozess eine deutlich höhere Strafe für den Angeklagten zu erwarten sei.
Dem entspricht das Gericht und verkündet nach knapp 30 Minuten die vorläufige Einstellung des Verfahrens. Dagegen protestiert der Angeklagte, kann aber keine Rechtsmittel einlegen. „Was passiert, wenn ich am Montag wieder so ein Schild trage?“, fragt er. Der Richter weist ihn darauf hin, dass die Verhandlung bereits beendet sei.