Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Rechnungshofchefin kritisiert Holter
Rechnungshofchefin Butzke über Fehlanreize, uneffektive Behörden und ihr CDU-Parteibuch
Der Thüringer Rechnungshof hält die Probleme im Bildungsministerium zumindest teilweise für hausgemacht. „Angesichts der Vielzahl von Mangelfächern oder fehlenden Lehrern in bestimmten Gegenden ist es nicht nachvollziehbar, dass das Bildungsministerium dringend gebrauchte Pädagogen einfach ziehen lässt“, sagt Rechnungshofpräsidentin Kirsten Butzke im Interview mit dieser Zeitung.
Aus Sicht der obersten Finanzkontrolleurin passt im von Minister Helmut Holter (Linke) geführten Ressort einiges nicht zusammen. „Auf der einen Seite die Altersabminderung und der vorzeitige Ruhestand, auf der anderen Seite legt das Ministerium ein teures Programm auf wie etwa ‘Grau macht schlau’ und holt damit die älteren Lehrkräfte, die vermeintlich gar nicht mehr so leistungsfähig sind, wieder zurück“, kritisiert Butzke.
Der Rechnungshof spricht sich nicht nur dafür aus, dass Lehrer mehr arbeiten, sondern ihre Arbeitskraft müsse wieder auf ihre Kernaufgaben reduziert werden. „Sie sind als Pädagogen teuer ausgebildet und sollen auch als Pädagogen eingesetzt werden und nicht als Verwaltungskräfte. Dann können sie auch ihre anstrengenden Aufgaben erfüllen“, so Butzke.
Kirsten Butzke ist seit dem 1. Februar Präsidentin des Thüringer Rechnungshofes. Die in Weimar geborene Volljuristin (47) gehört der Behörde seit 2009 an und hat zuvor unter anderem im Wissenschaftsministerium gearbeitet.
Frau Butzke, lebt Thüringen seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse?
Das kann man so sagen. Wir sehen ein ungebremstes Wachstum des Haushaltsumfangs. Aus diesem Grund werden wir angesichts von rund 16 Milliarden Euro Schulden nicht müde, Ausgabendisziplin anzumahnen.
Der Rechnungshof fordert seit Langem, der Staat solle sich auf Kernaufgaben konzentrieren. Die wären?
Der Staat braucht eine funktionierende Verwaltung, auch die innere Sicherheit und Justiz gehören dazu und die Bildung natürlich. Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels werden Ausgaben in diesem Bereich am wichtigsten sein. Aus meiner Sicht haben wir genug Geld im System, aber ganz oft kommt es nicht dort an, wo es hingehört.
Woran liegt das?
Weil es oft leichter ist, mit goldenen Zügeln zu führen und zusätzliches Geld ins System zu pumpen. Dabei gibt es genug Schrauben, an denen die Landesregierung drehen könnte, um effektiver zu werden. Wenn man es ernst meint, dass die Gewährleistung von Schulunterricht oberste Priorität hat, sollte man auch alles dafür tun.
Was meinen Sie konkret?
Beispielsweise die sogenannten Unterrichtsabminderungsstunden. Hier haben wir in Thüringen bundesweit die großzügigste Regelung. Ab 55 Jahren werden Lehrern Unterrichtsverpflichtungen erlassen. Das ist eine Festlegung aus den 90er-Jahren, die seitdem nicht mehr überprüft wurde. Da liegt ganz viel Potenzial brach, um Arbeitszeit von Lehrkräften für die Absicherung von Unterricht zu nutzen. Und der fällt bekanntlich weiter in Größenordnungen aus.
Viele Lehrer stellen auch Anträge auf vorzeitigen Ruhestand.
Das stimmt. Bei den Altersgrenzen hat Thüringen eine im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr großzügige Regelung. Die Grenze ist 2012 für alle Beamten noch einmal von 63 auf 62 Jahre abgesenkt worden. Im Bereich der Lehrkräfte nehmen rund zwei Drittel diese Möglichkeit in Anspruch. Nur wenige arbeiten bis zum Erreichen der Altersgrenze.
Sind viele Probleme im Bildungsministerium hausgemacht?
Manche auf jeden Fall. Angesichts der Vielzahl von Mangelfächern oder fehlenden Lehrern in bestimmten Gegenden ist es nicht nachvollziehbar, dass das Bildungsministerium dringend gebrauchte Pädagogen einfach ziehen lässt. Man könnte über eine Änderung des entsprechenden Gesetzes nachdenken.
Hier passt einiges nicht zusammen?
Richtig. Auf der einen Seite die Altersabminderung und der vorzeitige Ruhestand, auf der anderen Seite legt das Ministerium ein teures Programm auf wie etwa „Grau macht schlau“und holt die älteren Lehrkräfte, die vermeintlich gar nicht mehr so leistungsfähig sind, zurück.
Sollten Lehrer mehr arbeiten?
Nicht in erster Linie. Wir sagen als Rechnungshof nicht nur, die Lehrer sollen mehr arbeiten, sondern ihre Arbeitskraft muss wieder auf ihre Kernaufgaben reduziert werden. Sie sind als Pädagogen teuer ausgebildet und sollen auch als Pädagogen eingesetzt werden und nicht als
Verwaltungskräfte. Dann können sie auch ihre anstrengenden Aufgaben erfüllen.
Braucht Thüringen immer noch eine Verwaltungs- und Gebietsreform?
Daran führt kein Weg vorbei. Die Thüringer Bevölkerung schrumpft. Es gibt immer weniger Erwerbstätige. Um weiter alle staatlichen Aufgaben erfüllen zu können, wird es zwangsweise zu einer Reform der Verwaltung kommen müssen. Man könnte kombiniert vorgehen, in dem man Anreize setzt für eine verstärkte kommunale Zusammenarbeit. Das ist der bessere Weg als von oben verordnete Zwangsfusionen. Leider wird an dieser Stelle zu kurzsichtig in Legislaturperioden gedacht. Es braucht politischen Willen und Standfestigkeit, eine solche Reform durchzuziehen.
Ist die aktuelle Aufregung um die globale Minderausgabe überzogen?
Na ja, wenn die globale Minderausgabe dazu führt, dass Geld für nicht notwendige Ausgaben abgeschöpft wird, erfüllt sie ihren Zweck. Sie darf aber nicht dazu führen, dass notwendige Ausgaben nicht mehr möglich sind. Andernfalls könnte die globale Minderausgabe sogar rechtswidrig sein. Die Abgeordneten selbst haben zu entscheiden. Sie haben gegenüber den Wählern Rechenschaft abzulegen, wofür Geld ausgegeben werden darf und wofür eben auch nicht.
Die Abgeordneten legen so den Maßstab zur Kontrolle der Regierung fest.
So sollte es sein. Aber auf Drängen der CDU hat die Mehrheit der Abgeordneten, also auch jene der Minderheitskoalition von Linke, SPD und Grünen, die Verantwortung für Einsparungen auf die Landesregierung abgewälzt. Außerdem können Mittel von Bund und EU nicht zu Einsparungen herangezogen werden. Im Ergebnis sieht man: Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht. Die globale Minderausgabe schafft so mehr Konflikte als sie löst.
Sie sind CDU-Mitglied. Sind Sie besonders streng mit der rot-rot-grünen Landesregierung und Ihre Parteifreunde dürfen sich freuen, sollten sie wieder mal an der Macht sein?
Wir entscheiden am Rechnungshof grundsätzlich im Kollegium. Soweit wir Mitglieder einen parteipolitischen Hintergrund haben, versehen wir unseren Dienst dennoch unabhängig und überparteilich. Schon das Kollegialprinzip verhindert parteiliche Entscheidungen.