Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Scharfe Kritik an Kliniken
Ärzte verurteilen Übernahmepläne für Notfallversorgung und verweisen auf Thüringer Modell
Pläne der Krankenhäuser, große Teile der ambulanten Notfallversorgung künftig zu übernehmen, stoßen bei niedergelassenen Ärzten in Thüringen auf heftigen Widerstand. „Stationärer und ambulanter Sektor arbeiten seit fünf Jahren in den Thüringer Portalpraxen an vielen Kliniken gut zusammen. Mit der friedlichen Koexistenz des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes und der Klinik-Notaufnahmen, vermittelt auch über die Nummer 116.117, sind wir sehr zufrieden. Da ist es unnötig, dass einige Krankenhausfunktionäre einmal mehr versuchen, Krieg zu spielen“, sagte Thomas Schröter, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KVT).
Stein des Anstoßes ist ein Konzept der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zur Reform der ambulanten Notfallversorgung. Danach soll die außerhalb der Praxiszeiten komplett an den Kliniken erfolgen. Behandlungen würden demnach ausschließlich in Integrierten Notfallzentren durchgeführt. Zwar sollen laut DKG-Papier Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenhäuser dort an einem gemeinsamen Tresen zusammenarbeiten. Niedergelassene wären allerdings nur noch wochentags von 7 bis 19 Uhr zuständig. Von 19 bis 7 Uhr, an Wochenenden sowie Feiertagen will man die KV-Ärzte ganz raushalten. Behandlungsbedürftige würden so automatisch in die Klinik-Notfallstrukturen übernommen. Die Thüringer Landeskrankenhausgesellschaft erklärte, man stehe voll hinter den Positionen.
Die KV Thüringen weist dieses Ansinnen entschieden zurück und spricht von einer Mogelpackung. „Das Papier ist unehrlich. In Thüringen positiv besetzte Begriffe wie die Portalpraxen oder der gemeinsame Tresen, den es am Krankenhaus in Sömmerda schon gibt, werden benutzt, um Klinikeinnahmen zu optimieren“, sagt Thomas Schröter. Deutlich wird die Ablehnung auch in einer ungewöhnlich scharfen schriftlichen Stellungnahme, die die Thüringer Ärztevertretung nach Berlin schickte. Was als „Entlastung“verkauft werde, ziele auf die Verdrängung der Vertragsärzte sowie erheblich höhere Kosten zugunsten des Krankenhaussektors.
Um die Reformbedürftigkeit der Notfallversorgung gibt es seit Langem Streit. Ein Kritikpunkt sind übervolle Klinik-Notaufnahmen, weil Patienten teils auch mit Bagatellerkrankungen
statt zum Hausarzt gleich in eine Klinik gehen. In mehreren Gutachten warnte der Sachverständigenrat Gesundheitswesen vor dem Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung.
Dagegen spricht laut Thomas Schröter nicht zuletzt die angespannte Personalsituation. „Thüringer Vertragsärzte sehen in der bedarfsgerechten Behandlung von Patienten auch eine ethische Pflicht. Unsere Portalpraxen erweisen sich dafür als ein sinnvolles und gut funktionierendes Steuerungsinstrument. Das wird jetzt von der Deutschen Krankenhausgesellschaft massiv torpediert“, so Schröter.
Es ist unnötig, dass einige Krankenhausfunktionäre einmal mehr versuchen, Krieg zu spielen. Thomas Schröter, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung in Thüringen