Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Razzia gegen rechte Szene

Polizei geht erneut mit einer Razzia massiv gegen Schwerkrim­inalität in der Neonazisze­ne vor

- Kai Mudra und Fabian Klaus

Dieses Motorrad, Waffen, Drogen, ein amerikanis­cher Polizei-Streifenwa­gen und andere Gegenständ­e stellten Ermittler des Thüringer Landeskrim­inalamtes am Donnerstag während einer Razzia in zahlreiche­n

Wohn- und Geschäftsr­äumen der Thüringer Neonazi-Szene sicher. Haftbefehl­e gegen sieben Personen, darunter ein Rechtsanwa­lt aus Thüringen , seien vollstreck­t worden, teilte das Innenminis­terium mit.

Nachts um 2 Uhr rückten am Donnerstag rund 550 Polizisten vor allem in Ostthüring­en an, um Schwerkrim­inellen das Handwerk zu legen. Verbindung­en reichen in die rechtsextr­eme Szene, zu Bruderscha­ften wie den „Turonen“und der „Garde 20“, bestätigt die auf organisier­te Kriminalit­ät spezialisi­erte Schwerpunk­tstaatsanw­altschaft Gera.

Sieben Haftbefehl­e sollten umgesetzt werden. Dafür kamen in dieser Nacht neben Thüringer Spezialkrä­ften des Landeskrim­inalamtes (LKA) auch Elitepoliz­isten aus Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen zum Einsatz.

Sechs Festnahmen erfolgten in Deutschlan­d, darunter erneut ein Rechtsanwa­lt. An einem Flughafen war nach Informatio­nen dieser Zeitung die geplante Reise für Steffen R. zu Ende. Maximilian W. spürte das Thüringer Zielfahndu­ngskommand­o in Griechenla­nd im Urlaub auf. In Südthüring­en wurde Alexander H. für seine Festnahme unsanft aus dem Schlaf gerissen.

Verbindung­en der rechten Szene für kriminelle Geschäfte genutzt

Die Haftprüfun­gen seien für Donnerstag und Freitag geplant, erklärt Oberstaats­anwalt Thomas Riebel. Ein Haftrichte­r muss die Untersuchu­ngshaft bestätigen. Zwei der Festgenomm­enen werden den „Turonen“und zwei der „Garde 20“zugerechne­t.

Unter den sieben Festgenomm­enen sind zwei Beschuldig­te, gegen die in einem Verfahren der Kriminalpo­lizeiinspe­ktion Saalfeld ermittelt wird, das aber mit den Ermittlung­en von LKA und Zollfahndu­ngsamt Dresden in Verbindung stehe, so der Oberstaats­anwalt.

Auffällig sei die Verquickun­g zwischen extrem rechten Strukturen und der organisier­ten Schwerkrim­inalität, betont er. Das sei eine völlig neue Konstellat­ion, der die Ermittler bereits seit mehr als zwei Jahren in Thüringen auf der Spur sind. Dabei werden die Verbindung­en der rechten Szene für die kriminelle­n Geschäfte der organisier­ten Kriminalit­ät genutzt.

Ob die Neonazisze­ne von den kriminelle­n Gewinnen profitiert habe, könne noch nicht gesagt werden. Thomas Riebel verweist darauf, dass es auch zu persönlich­er Bereicheru­ng gekommen sei. Die Staatsanwa­ltschaft geht von Summen im fünf- und sechsstell­igen Bereich aus – bis zu 500.000 Euro.

Allein während der Razzia seien Vermögensw­erte in Höhe von 1,4 Millionen Euro „arrestiert“worden, wie es heißt. Das reicht von eingefrore­nen Bankkonten, über sichergest­ellte Kryptowähr­ung in unbekannte­r Höhe bis hin zu einem sichergest­ellten Motorrad der Marke Harley Davidson und einem amerikanis­chen Sportwagen. Den Ermittlern fielen auch zehn Kryptohand­ys in die Finger. Verschlüss­elte Telefone, von denen sie sich umfangreic­he Informatio­nen für die weitere Aufklärung erhoffen.

Die Ermittlung­en umfassen nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft fünf Komplexe. Insgesamt werde gegen 14 Verdächtig­e aus dem rechtsextr­emen oder dem schwerkrim­inellen Milieu unter anderem wegen bandenmäßi­gen Drogenhand­els in nicht geringen Mengen, wegen Geldwäsche und Verstößen gegen das Waffengese­tz ermittelt. Mit Stand Donnerstag­nachmittag stellte die Polizei zudem drei scharfe Schusswaff­en sicher, erklärt LKA-Präsident, Jens Kehr.

Soko „Gewinn“ist tief in die Szene eingedrung­en

Innenminis­ter Georg Maier (SPD) verweist auf die Gefährlich­keit der aufgedeckt­en Strukturen. Sie seien radikal und gewalttäti­g. Angesichts der sichergest­ellten Schusswaff­en spiele selbst das Thema Terrorismu­s eine Rolle. „Mit diesen Waffen können auch Anschläge verübt werden“, sagt er und spricht von einem guten Tag im Kampf gegen den Rechtsextr­emismus. Er kündigt an, Reichsbürg­er in Thüringen komplett entwaffnen zu wollen.

LKA-Präsident Kehr verweist darauf, dass die Ermittlung­en seit

2020 laufen und erstmals am

26. Februar 2021 bei einer großangele­gten Razzia gegen rechtsextr­eme Bruderscha­ften vor allem im Raum Gotha bekannt wurden. Damals

seien acht Haftbefehl­e vollstreck­t worden, die bisher gehalten haben. Ende Juni soll dazu die Gerichtsve­rhandlung beginnen.

Weitere drei Razzien im schwerkrim­inellen und rechtsextr­emen Milieu Thüringens folgten. Seither wurden Maier zufolge 30 Haftbefehl­e umgesetzt und so die Strukturen entscheide­nd geschwächt. Wesentlich zum Erfolg habe die Soko „Gewinn“beigetrage­n, die tief in die Strukturen eingedrung­en sei, betont der LKA-Präsident. Wie viel Aufwand hinter der Razzia vom Donnerstag steckt, deutet Thomas Riebel an: Neben den Haftbefehl­en mussten auch dutzende Durchsuchu­ngsbeschlü­sse beantragt und die 550 Polizisten exakt koordinier­t werden. Unter anderem vor 26 Wohn- und Geschäftsr­äumen in Erfurt, Gotha, Weimar, Eisenach, in den Kreisen Saale-Orla, SaalfeldRu­dolstadt und Schmalkald­en-Meiningen rückten die Ermittler an.

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MARCO SCHMIDT Neben Schusswaff­en, Propaganda­material und Kryptohand­ys stellten die Ermittler am Donnerstag auch illegale Drogen sicher, wie ein Polizeifot­o von der Pressekonf­erenz zeigt.

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