Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Razzia gegen rechte Szene
Polizei geht erneut mit einer Razzia massiv gegen Schwerkriminalität in der Neonaziszene vor
Dieses Motorrad, Waffen, Drogen, ein amerikanischer Polizei-Streifenwagen und andere Gegenstände stellten Ermittler des Thüringer Landeskriminalamtes am Donnerstag während einer Razzia in zahlreichen
Wohn- und Geschäftsräumen der Thüringer Neonazi-Szene sicher. Haftbefehle gegen sieben Personen, darunter ein Rechtsanwalt aus Thüringen , seien vollstreckt worden, teilte das Innenministerium mit.
Nachts um 2 Uhr rückten am Donnerstag rund 550 Polizisten vor allem in Ostthüringen an, um Schwerkriminellen das Handwerk zu legen. Verbindungen reichen in die rechtsextreme Szene, zu Bruderschaften wie den „Turonen“und der „Garde 20“, bestätigt die auf organisierte Kriminalität spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaft Gera.
Sieben Haftbefehle sollten umgesetzt werden. Dafür kamen in dieser Nacht neben Thüringer Spezialkräften des Landeskriminalamtes (LKA) auch Elitepolizisten aus Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Hessen zum Einsatz.
Sechs Festnahmen erfolgten in Deutschland, darunter erneut ein Rechtsanwalt. An einem Flughafen war nach Informationen dieser Zeitung die geplante Reise für Steffen R. zu Ende. Maximilian W. spürte das Thüringer Zielfahndungskommando in Griechenland im Urlaub auf. In Südthüringen wurde Alexander H. für seine Festnahme unsanft aus dem Schlaf gerissen.
Verbindungen der rechten Szene für kriminelle Geschäfte genutzt
Die Haftprüfungen seien für Donnerstag und Freitag geplant, erklärt Oberstaatsanwalt Thomas Riebel. Ein Haftrichter muss die Untersuchungshaft bestätigen. Zwei der Festgenommenen werden den „Turonen“und zwei der „Garde 20“zugerechnet.
Unter den sieben Festgenommenen sind zwei Beschuldigte, gegen die in einem Verfahren der Kriminalpolizeiinspektion Saalfeld ermittelt wird, das aber mit den Ermittlungen von LKA und Zollfahndungsamt Dresden in Verbindung stehe, so der Oberstaatsanwalt.
Auffällig sei die Verquickung zwischen extrem rechten Strukturen und der organisierten Schwerkriminalität, betont er. Das sei eine völlig neue Konstellation, der die Ermittler bereits seit mehr als zwei Jahren in Thüringen auf der Spur sind. Dabei werden die Verbindungen der rechten Szene für die kriminellen Geschäfte der organisierten Kriminalität genutzt.
Ob die Neonaziszene von den kriminellen Gewinnen profitiert habe, könne noch nicht gesagt werden. Thomas Riebel verweist darauf, dass es auch zu persönlicher Bereicherung gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft geht von Summen im fünf- und sechsstelligen Bereich aus – bis zu 500.000 Euro.
Allein während der Razzia seien Vermögenswerte in Höhe von 1,4 Millionen Euro „arrestiert“worden, wie es heißt. Das reicht von eingefrorenen Bankkonten, über sichergestellte Kryptowährung in unbekannter Höhe bis hin zu einem sichergestellten Motorrad der Marke Harley Davidson und einem amerikanischen Sportwagen. Den Ermittlern fielen auch zehn Kryptohandys in die Finger. Verschlüsselte Telefone, von denen sie sich umfangreiche Informationen für die weitere Aufklärung erhoffen.
Die Ermittlungen umfassen nach Angaben der Staatsanwaltschaft fünf Komplexe. Insgesamt werde gegen 14 Verdächtige aus dem rechtsextremen oder dem schwerkriminellen Milieu unter anderem wegen bandenmäßigen Drogenhandels in nicht geringen Mengen, wegen Geldwäsche und Verstößen gegen das Waffengesetz ermittelt. Mit Stand Donnerstagnachmittag stellte die Polizei zudem drei scharfe Schusswaffen sicher, erklärt LKA-Präsident, Jens Kehr.
Soko „Gewinn“ist tief in die Szene eingedrungen
Innenminister Georg Maier (SPD) verweist auf die Gefährlichkeit der aufgedeckten Strukturen. Sie seien radikal und gewalttätig. Angesichts der sichergestellten Schusswaffen spiele selbst das Thema Terrorismus eine Rolle. „Mit diesen Waffen können auch Anschläge verübt werden“, sagt er und spricht von einem guten Tag im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Er kündigt an, Reichsbürger in Thüringen komplett entwaffnen zu wollen.
LKA-Präsident Kehr verweist darauf, dass die Ermittlungen seit
2020 laufen und erstmals am
26. Februar 2021 bei einer großangelegten Razzia gegen rechtsextreme Bruderschaften vor allem im Raum Gotha bekannt wurden. Damals
seien acht Haftbefehle vollstreckt worden, die bisher gehalten haben. Ende Juni soll dazu die Gerichtsverhandlung beginnen.
Weitere drei Razzien im schwerkriminellen und rechtsextremen Milieu Thüringens folgten. Seither wurden Maier zufolge 30 Haftbefehle umgesetzt und so die Strukturen entscheidend geschwächt. Wesentlich zum Erfolg habe die Soko „Gewinn“beigetragen, die tief in die Strukturen eingedrungen sei, betont der LKA-Präsident. Wie viel Aufwand hinter der Razzia vom Donnerstag steckt, deutet Thomas Riebel an: Neben den Haftbefehlen mussten auch dutzende Durchsuchungsbeschlüsse beantragt und die 550 Polizisten exakt koordiniert werden. Unter anderem vor 26 Wohn- und Geschäftsräumen in Erfurt, Gotha, Weimar, Eisenach, in den Kreisen Saale-Orla, SaalfeldRudolstadt und Schmalkalden-Meiningen rückten die Ermittler an.