Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Genau hinschauen
Der Thüringer AfD-Vormann gibt sich wieder einmal zurückhaltend. Vor dem Bundesparteitag äußert er sich öffentlich nicht – schon gar nicht zu seinen eigenen Ambitionen. Dabei ist es Höcke, der den oft radikalen Parteikurs der Ost-Landesverbände prägt, der bei Stammtischreden einheizt, aber in Parlamentsdebatten bisweilen den Biedermann gibt, um dann doch die Schutzimpfungen gegen das Corona-Virus mit den Taten des Nazi-Verbrechers Josef Mengele zu vergleichen und damit unzählige Tote des Nazi-Regimes zu relativieren.
Geht Höcke bei diesem Bundesparteitag also den letzten Schritt an die Parteispitze? Drängt er endgültig zur Macht?
Die Lage der Dinge sieht so aus, dass er erneut keinen Angriff auf die AfD-Bundesspitze startet – allerdings: Stimmungen auf Parteitagen sind schwer kalkulierbar.
Ist es die pure Angst, aus einem demokratischen Prozess in einer Partei mit unzähligen Antidemokraten nicht als Gewinner hervorzugehen? Denn im Westen des Landes hat der Thüringer keinesfalls den Rückhalt, den er bei den Ostverbänden genießt. Eine Niederlage würde seine Position im Bund aber auch in Thüringen schwächen. Oder, wie er selbst im Internet schreibt: „Bei uns sollte es keine ‘Verlierer’ geben.“
Die Angst dürfte ihn umtreiben. Vorsichtshalber hat er bereits „uns nicht wohlgesonnene Redakteure“als Sündenböcke auserkoren, falls die AfD mal wieder in ihre Einzelteile zerfallen könnte. Dabei sorgt die Partei stets selbst dafür, weil ihr Kurs stets radikaler wurde.
In einer Demokratie muss genau darauf geschaut werden, um nicht hinterher sagen zu müssen, man hätte es wissen können.