Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
CDU will keine Windräder im Wald
Bei der Suche nach einem Kompromiss liegen Rot-Rot-Grün und Union noch weit auseinander
Erfurt. Rund 24 Stunden, nachdem der Kompromissvorschlag der grünen Umweltministerin Anja Siegesmund zu einem „Windfrieden“in Thüringen öffentlich wurde, ist Bodo Ramelow im ZDF-Morgenmagazin zugeschaltet. Es ist Mittwoch, 8.10 Uhr, und es gibt Probleme mit dem Ton. Der Ministerpräsident kann die Moderatorin zunächst nicht hören. „Jetzt ist der Windpark dazwischengekommen“, witzelt der Linke und lächelt in die Kamera.
Kurz danach sind die Schwierigkeiten behoben, und es wird ernst. Siegesmunds Papier sieht – mit einigen Ausnahmen zwar, aber generell – einen 1000-Meter-Abstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern vor. Reicht das, um den Ausbau wirksam in Richtung des Zwei-Prozent-Ziels voranzubringen?
„Nur wenn der Wald freigegeben wird als Planungsfläche“, antwortet der Regierungschef. Derzeit liege Thüringen bei Windenergie lediglich bei 0,4 Prozent der Landesfläche. Ramelow verweist auf die Glasindustrie mit ihren 7000 Beschäftigten, die vom Erdgas abhängig sei und auf eine stromgetriebene Produktion umstellen wolle. Dafür brauche es mehr regenerative Energie im Südthüringer Raum.
„Aber so lange wir abgeholzte Waldflächen einfach als Tabuzonen bezeichnen, werden wir immer mehr den Druck haben, dass in Siedlungsgebieten Windkraftanlagen aufgebaut werden. Das ist ein selbst gemachtes Thüringer Phänomen, das wir nur gemeinsam mit der CDU aufheben können“, sagt er.
Ob das gelingt, ist fraglich. Tags darauf setzen sich die drei Fachpolitiker der Fraktionen von Linke, SPD und Grünen rund anderthalb Stunden mit ihrem Unionskollegen zusammen. Für eine Mehrheit im Landtag ist das Trio auf die Stimmen der Christdemokraten angewiesen. Andersherum könnte die CDU ihren Gesetzentwurf, der einen 1000-Meter-Abstand vorsieht, auch nicht allein durchsetzen und wäre auf AfD und FDP angewiesen. Doch gerade eine mögliche Zusammenarbeit mit der AfD hat für so viel Aufruhr gesorgt, dass RotRot-Grün und CDU nun bis zur Plenarsitzung Mitte Juli einen Kompromiss ausarbeiten wollen.
Doch wie sieht es aus mit einer Änderung des Waldgesetzes, damit auf Flächen, die vom Borkenkäfer heimgesucht wurden, Windräder stehen können?
„Unser Ziel ist es, jeden Hektar Wald zu beschützen und weiterzuentwickeln. Wir wollen einen ökologischen Waldumbau und gehen fest davon aus, dass wir die Waldflächen nicht brauchen, um mehr erneuerbare Energie zu gewinnen“, sagt der CDU-Parlamentarier Thomas Gottweiss.
Trotz dieser Haltung zeigen sich Linke, SPD und Grüne zuversichtlich, äußern „vorsichtigen Optimismus“und sprechen von einem ersten „konstruktiven Gespräch“.
„Es ist schon eine Grundvoraussetzung, dass sich die CDU beim Thema Wind im Wald bewegt“, sagt der Linke-Energiepolitiker Markus Gleichmann. Das müsse nicht unbedingt sofort eine Änderung des entsprechenden Gesetzes beinhalten, sondern könne zunächst auch ein Modellprojekt mit Windrädern auf Schadholzflächen in Südthüringen sein, um der dortigen Glasindustrie zu helfen.
Er habe nichts gegen ein Modellprojekt, aber dafür brauche man keine Windkraft im Wald, sagt Gottweiss. Er setzt auf die Modernisierung bestehender Anlagen, mehr Sonnen- und Bioenergie, Wasserkraft sowie Geothermie. Eine Annäherung hört sich anders an.
Auch der Sprecher der FDPGruppe im Landtag hat Ramelow im Morgenmagazin gesehen und ist entsetzt. „Windkraft hat auch auf Kalamitätsflächen nichts zu suchen“, sagt Thomas Kemmerich dieser Zeitung. „Wer sie dort errichtet, schreibt geschädigte Waldflächen ab statt sie zu renaturieren. Das ist, als würde man Verwundete erschießen statt sie zu versorgen.“