Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Der prominenteste Thüringer Linke wahlkämpft für einen CDU-Mann
Aus dem Ministerpräsidenten Ramelow wird der Gewerkschaftsfreund. Stichwahlen am Wochenende in mehreren Thüringer Kommunen
„Manchmal höre ich verwundert die Frage: Wie kann es sein, dass einen Menschen, der ein linkes Parteibuch hat, mit einem anderen Menschen, der ein CDU-Parteibuch hat, eine enge Freundschaft verbindet?“
Der Mensch mit dem linken Parteibuch ist kein geringerer als Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Der Mensch mit dem CDU-Parteibuch heißt Marko Grosa und will am Wochenende wieder Bürgermeister von Leinefelde-Worbis im Eichsfeld werden. Mit Ramelow hat er seit Wochen einen ungewöhnlichen wie prominenten
Unterstützer in seinem Kampf ums Bürgermeisteramt.
82 Sekunden lang erklärt Ramelow in dem Video, das auf Grosas Wahlkampf-Facebook-Seite veröffentlicht wurde, die Dinge, die aus seiner Sicht für den Christdemokraten sprechen. Auf Anfrage unserer Redaktion verteidigte er seinen kurzen Auftritt: „Ich schaue in meiner Regierungsarbeit nicht aufs Parteibuch. Wenn wir im Land Themen bearbeiten wollen, dann will ich wissen, wie und mit wem bekomme ich das hin.“Ramelow und das Eichsfeld – das ist eine besondere Beziehung. Vor Jahren hatte er schon mit CDU-Landrat Henning über den gemeinsamen christlichen
Glauben diskutiert, was in der Linken keine Jubel-Arien auslöste.
Der frühere hochrangige Polizist Grosa muss an diesem Wochenende in eine Stichwahl gegen den parteilosen Friseurmeister Christian Zwingmann und kämpft um seine zweite sechsjährige Amtszeit.
Als wenn es nicht schon merkwürdig genug wäre, dass ein Linker für einen Christdemokraten – noch dazu in Thüringen – Wahlkampf macht, bleibt die Frage: Darf er das in dieser Form?
Das Video wurde am Rande eines Streiks bei einem Leinefelder Autozulieferer gedreht. Ramelow hatte dort aus Solidarität zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern teilgenommen und redete als Ministerpräsident.
In seinem Wahlkampf-Video für den CDU-Mann ist er dann aber nur noch als „Gewerkschaftsfreund“bezeichnet. Ramelow und Grosa verbindet tatsächlich eine gewerkschaftliche Beziehung, beide waren Vorsitzende unterschiedlicher Arbeitnehmervertretungen. Insofern tritt Ramelow in dem Video erkennbar nicht in seinem Amt als Ministerpräsident auf.
Neben Ramelow werben auch mehrere Ortsteilbürgermeister aus Leinefelde-Worbis, allerdings im Unterschied zum Ramelow erkennbar als solche, in Videos für den Amtsinhaber.