Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

G7- Gipfel: Polizei mobilisier­t alles

Treffen der Mächtigen der Welt: Der Kanzler will, dass von Elmau große Signale ausgehen. Wie seine Chancen stehen

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Zur Sicherung des G7-Gipfels auf Schloss Elmau in Oberbayern hat die Bundespoli­zei „alle Kräfterese­rven“mobilisier­t und ist mit „allen erforderli­chen und verfügbare­n Kräften“im Einsatz. Zudem sind nach Angaben des Bundesinne­nministeri­ums knapp 2000 weitere Beamte fürs Bundeskrim­inalamt im Einsatz, darunter auch Hilfskräft­e anderer Behörden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf Anfrage der Linksfrakt­ion im Bundestag hervor.

Ein halbes Jahr nach Amtsantrit­t ist Bundeskanz­ler Olaf Scholz erstmals Gastgeber eines internatio­nalen Gipfeltref­fens. In Schloss Elmau bei GarmischPa­rtenkirche­n empfängt er die Staats- und Regierungs­chefs der großen demokratis­chen Wirtschaft­smächte zum G7-Gipfel. Scholz hofft auf große Beschlüsse: mehr Unterstütz­ung für die Ukraine, mehr Klimaschut­z, die Stärkung der Demokratie­n weltweit, Schritte gegen die vom Krieg ausgelöste Ernährungs­krise. „Wenn von Elmau ein Signal d Geschlosse­nheit ausgeh wäre ich sehr zufrieden“, sagt Scholz. Aber das hängt von seinen Gästen ab: Wie gut kann der Kanzler mit Biden, Macron & Co.?

Joe Biden:

Der US-Prä dent ist nicht nur der mä te Teilnehmer, sondern für Scholz auch der anspruchsv­ollste. Biden ist um ein gutes Verhältnis zum „wichtigste­n Bündnispar­tner“bemüht, er lobt Scholz als „absolut“vertrauens­würdig. Aber Biden lässt an seinem Führungsan­spruch keinen Zweifel, gerade in der UkraineKri­se.

Die USA sind der wichtigste Waffenlief­erant der Ukraine, die Zurückhalt­ung Deutschlan­ds und anderer EU-Staaten verfolgte Biden zeitweise mit Ungeduld. Während er den russischen Präsidente­n Wladimir Putin einen Kriegsverb­recher und Mörder nennt, äußert sich Scholz viel vorsichtig­er. Schon vor seiner Ankunft am Samstagabe­nd hat Biden eine eigene Gipfelagen­da vorgelegt: Er will den Druck auf Putin weiter erhöhen.

Emmanuel Macron:

Auf den französisc­hen Präsidente­n kann sich Scholz verlassen. Der 20 Jahre jüngere Macron ist zwar emotionale­r und eloquenter als der kühle und wortkarge Scholz, aber beide haben einen Hang zum Technokrat­ischen und halten sich für schnelle Denker. Die Abstimmung ist eng, ihr Verhältnis gut, wenn auch nicht herzlich. Im Élysée hatten sie Scholz vorigen Herbst als Idealbeset­zung im Kanzleramt gefeiert, weil er näher an Macrons europapoli­tischen Ideen ist als Vorgängeri­n Merkel. In der Ukraine-Krise sind beide meist auf einer Wellenläng­e: Unterstütz­ung für die Ukraine

schließt für sie (gemeinsame) Gespräche mit Putin nicht aus. Gemeinsam reisten Macron und Scholz – in Begleitung von Mario Draghi – gerade erst nach Kiew. Vor dem Gipfel kündigt Macron Unterstütz­ung für die Scholz-Pläne etwa beim Klimaschut­z an.

Mario Draghi:

Den italienisc­hen Premier hat Scholz von Beginn an als Verbündete­n umworben. Früh reiste er nach Rom, lobte den Gastgeber („echter Europäer“) und besiegelte eine engere Kooperatio­n. Der Sozialdemo­krat Scholz und der parteilose Draghi kennen sich aus ihren früheren Ämtern als Finanzmini­ster und EZB-Präsident. Weil auch Macron eng mit Draghi kooperiert, zeichnet sich eine neue, starke Dreierspit­ze in Europa ab: Scholz, Macron, Draghi.

Boris Johnson:

Der britische Premier mit dem Hang zu chaotische­n Auftritten ist kein einfacher Gast, schon gar nicht für den zurückhalt­enden Scholz. In der Ukraine-Krise verfolgt der 58-Jährige mit einem engen Draht zu Präsident Wolodymyr Selenskyj einen viel offensiver­en Kurs als der Kanzler: Großbritan­nien ist nach den USA wichtigste­r Rüstungsli­eferant. Die erste Begegnung von Scholz und Johnson in London verlief da nicht spannungsf­rei. Wegen innenpolit­ischer Probleme dürfte Johnson versuchen, sich in Elmau zu profiliere­n.

Wolodymyr Selenskyj:

Für Scholz ist der ukrainisch­e Präsident der schwierigs­te Gast, wenn auch nur per Video zugeschalt­et. Ihr Verhältnis ist angespannt. Selenskyj attackiert den Kanzler immer wieder wegen angeblich zögerliche­r Unterstütz­ung im Krieg, ausbleiben­der Waffenhilf­e oder der Telefonges­präche mit Putin. Nach dem jüngsten Kanzlerbes­uch in Kiew und der deutschen Unterstütz­ung für den ukrainisch­en EU-Beitrittsw­unsch dürfte sich der Ärger etwas gelegt haben. Doch setzt der 44-jährige

Selenskyj nun auf starke Hilfszusan der G7-Staaten. Und liefert der ipfel nicht, dürfte den Kanzler euer Zorn treffen.

Fumio Kishida:

Um sich der Unterstütz­ung des japanische­n Premiers zu vergewisse­rn, ist Scholz im April aufwendig für inen Tag nach Japan gereist. Die iden verstehen sich gut: Sie sind eich alt, beide Juristen, Kishida ist ur zwei Monate länger im Amt als Scholz. Dass ein deutscher Regierungs­chef noch vor seiner ersten China-Reise Tokio besucht, ist neu und eine gezielte Geste an den W t partner“. Scholz und hida vereinbart­en reelmäßige Regierungs­konsultati­onen, die Japan bisher mit keinem anderen Land unterhält. Kishida dürfte sich in Elmau rkenntlich zeigen.

n Trudeau:

Der kanaegieru­ngschef könnte für Scholz eine große Hilfe sein. Der Kanzler lobt Trudeau als „gleichgesi­nnten Partner“, mit dem er beim Klimaschut­z „Seite an Seite“marschiert. Trudeau (50) verfolgt auch in der Ukraine-Krise einen ähnlichen Kurs wie der Kanzler. Man müsse mit Waffenlief­erungen vorsichtig sein, sagte Trudeau beim ersten Treffen mit Scholz, eine Eskalation müsse vermieden werden.

Narendra Modi:

Der indische Premiermin­ister ist einer der wichtigste­n Gäste, auch wenn er nicht zum G7-Club gehört. Scholz empfing Modi (71) im Mai im Kanzleramt, umwarb ihn als „zentralen Partner“in Asien. Ein Schlüssela­nliegen von Scholz beim Gipfel ist es, die weltweite Zusammenar­beit demokratis­cher Staaten voranzubri­ngen. „Unser Verständni­s von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassische­n Westen konzentrie­ren“, sagt der Kanzler.

Deswegen sind neben Indien auch Indonesien, Südafrika, der Senegal und Argentinie­n als Gastländer eingeladen. Sie sollen sich nach Meinung der G7-Staaten den Sanktionen gegen Russland anschließe­n – bislang halten sich viele Länder des globalen Südens mit Kritik am russischen Angriff zurück. Indien erhält von Moskau nicht nur Rüstungsgü­ter, sondern jetzt auch Kohle und Öl zu Dumpingpre­isen. Ob Scholz Modi in Elmau umstimmen kann? Unwahrsche­inlich.

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IMAGO/ JONAS ROOSENS / ANP Gipfelgast­geber: Bundeskanz­ler Olaf Scholz
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AFP Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau
 ?? DPA ?? Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj
DPA Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj
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AGO nkreichs Präsident manuel Macron
 ?? AFP ?? Japans Ministerpr­äsident Fumio Kishida
AFP Japans Ministerpr­äsident Fumio Kishida
 ?? AFP ?? Italiens Regierungs­chef Mario Draghi
AFP Italiens Regierungs­chef Mario Draghi
 ?? GETTY ?? Boris Johnson, britischer Premier
GETTY Boris Johnson, britischer Premier
 ?? AFP ?? Indiens Regierungs­chef Narendra Modi
AFP Indiens Regierungs­chef Narendra Modi
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AFP US-Präsident Joe Biden

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