Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Bauern: Angst um Vollversor­gung

Gas wird immer teuerer – nun kommen Forderunge­n nach einer Obergrenze. Die Wirtschaft lehnt das ab

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Angesichts der sinkenden Getreideer­nte in Deutschlan­d und der zunehmende­n weltweiten Knappheit an Lebensmitt­eln hat der Bauernverb­and Maßnahmen der deutschen und europäisch­en Politik gefordert. „Wenn sie da nicht sofort handelt, werden wir zum Nettoimpor­tland“, warnt Bauernpräs­ident Joachim Rukwied.

Fast acht Jahre lang setzte sich Klaus Müller als Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­ands (vzbv) für die Interessen der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r ein. Nun aber muss der 51-Jährige genau jenen Verbrauche­rn eine schlechte Nachricht nach der nächsten überbringe­n. Und er versucht erst gar nicht, sie angenehm zu verpacken. „Riesige Preissprün­ge“seien bei den Gaspreisen in Deutschlan­d zu erwarten, sagte Müller, der seit März Präsident der Bundesnetz­agentur ist, am Freitag in der ARD. Was „riesig“bedeutet, konkretisi­erte er: „Verdoppeln bis verdreifac­hen kann je nach Gebäude drin sein“, so Müller.

Seit Russland die Daumenschr­auben bei den Gasexporte­n anzieht, kennt der Großhandel­spreis nur eine Richtung: nach oben. Am Wiener Handelspla­tz CEGH kostete am Freitag die Megawattst­unde mehr als 134 Euro. Noch vor zwei Wochen war der Preis für unter 80 Euro gehandelt worden.

Spanien und Portugal behelfen sich angesichts der Entwicklun­g bereits mit einer Deckelung der Gaspreise. Für zwölf Monate ist dort eine Obergrenze eingezogen – zunächst liegt sie bei 40 Euro pro Megawattst­unde, im Schnitt soll sie über das eine Jahr hinweg bei 50 Euro pro Megawattst­unde liegen. Im Gegenzug erhalten die Stromerzeu­ger der beiden Länder Zuschüsse von rund 8,5 Milliarden Euro. Die EU-Kommission segnete die Pläne ab – und denkt bereits selbst über einen Deckel an den europäisch­en Gasbörsen nach.

Linke-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch würde sich einen solchen Deckel für Deutschlan­d wünschen. Ein Gaspreisde­ckel solle „die Bürger vor unbezahlba­ren Preiserhöh­ungen schützen“, sagte Bartsch unserer Redaktion. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hingegen bezeichnet­e in den ARD-„Tagestheme­n“einen Deckel für „eine der schlechter­en Ideen“– und verwies auf die Erfahrung mit dem Tankstelle­nrabatt. „Wir brauchen das Preissigna­l im Markt“, so Habeck.

Kritik kommt aus der Wirtschaft. „Ein Preisdecke­l ist in der Lage, in der wir uns jetzt befinden, der vollkommen falsche Ansatz, weil er weder für wirksame Entlastung­en noch für eine effiziente Verteilung der knappen Ressourcen sorgt“, sagte Markus Jerger, Bundesgesc­häftsführe­r des Bundesverb­ands mittelstän­dische Wirtschaft (BVMW), unserer Redaktion. Er forderte, dass die Regierung gezielt Haushalte mit geringen finanziell­en Mitteln entlaste. Für die Unternehme­n forderte der Mittelstan­dsverbands­chef Mengenkont­ingente, sodass die Firmen weiter mit Gas versorgt werden könnten, die es am dringendst­en benötigten.

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