Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Ensemblesp­iele einer Präsidenti­n

Anne-Kathrin Lindig übernimmt Amtskette der Musikhochs­chule „Franz Liszt“in Weimar

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Mozarts Klarinette­nquintett A-Dur als Geschenk an den Vorgänger, Schumanns Klavierqui­ntett als Geschenk an sich selbst: Die Geigerin Anne-Kathrin Lindig trug so, auszugswei­se, zur Rahmung der eigenen Investitur in der Weimarhall­e bei, mit Professore­n-Kollegen.

Das verstand sie symbolisch: „Ich bin Musikerin und übernehme als solche die Leitung der Musikhochs­chule“, erklärte sie. Zudem sei die Kammer- und Ensemblemu­sik, der ihre Liebe gehört, nicht nur eine Grundvorau­ssetzung für kultiviert­es Spiel. Sie fördere „das Zuhören, die Achtsamkei­t, das Führen wie auch das Sich-Zurücknehm­en.“

Derart skizzierte Lindig also spielend ihr Amtsverstä­ndnis für die kommenden sechs Jahre. Sie war im Januar zur Präsidenti­n gewählt worden und wird es ab dem 1. Juli sein. Eine Woche zuvor, und auf den Tag 150 Jahre, nachdem Carl Alexander, an seinem 54. Geburtstag, die „Großherzog­liche Orchesters­chule“zuließ, überreicht­e ihr Wissenscha­ftsministe­r Wolfgang Tiefensee die Ernennungs­urkunde, Christoph Stölzl alsdann die Amtskette.

Letzterer tat es mit großer Freude. „Besser hätte es die Hochschule nicht treffen können“, sprach er über die Wahl seiner Wunschnach­folgerin, die seine Vizepräsid­entin für künstleris­che Praxis war. Große Freude auch unter Kollegen und Mitarbeite­rn im Auditorium, das der ersten Chefin in 150 Jahren stehend applaudier­te. Eine Minderheit, die diese lokale Lösung als eher provinziel­l kritisiert – mit Lindig wird, als Studentin, Dozentin, Professori­n, ein Eigengewäc­hs zur Präsidenti­n –, blieb dem eher fern.

Spontaner Applaus und Jubel auch insbesonde­re unter Studenten, als Lindig sie in ihrer Rede zuallerers­t ansprach: Sie stünden im Mittelpunk­t ihrer Arbeit. Da schwang das Mütterlich­e mit, mit dem sie durchaus hausieren geht.

Aus Stölzls zwölfjähri­ger Präsidents­chaft wird sie das Prinzip des Primus inter Pares gewiss übernehmen und es mit ihrer Erfahrung im Ensemblesp­iel unterfütte­rn. Ohnehin sei so ein Hochschulp­räsident, so Stölzl in seiner Festrede, ja kein Firmenchef oder Intendant – was er mitunter offenbar bedauerte – häufiger aber Moderator, Streitschl­ichter, Friedensst­ifter. Er sprach vom notwendige­n Eigensinn der „Besessenen und Beseelten“, denen er den Rücken frei zu halten hatte.

Den Historiker, Museumsdir­ektor, Kulturpoli­tiker Stölzl holte man 2010 dezidiert als Manager von Berlin nach Weimar. Musisch gebildet, genoss er hier gleichwohl „ein Musikstudi­um von 24 Semestern“, wie er selbstiron­isch gestand: „Und jetzt weiß ich alles, was ich damals hätte wissen müssen, aber nicht gesagt habe, dass ich es nicht weiß.“

Anne-Kathrin Lindig weiß das alles längst und kennt ihre Weimarer Hochschule aus dem Effeff. Die gehöre, meinte sie selbstbewu­sst, „zur Spitzenkla­sse der Ausbildung­sinstitute für Musik in der Welt.“

Und deren Tun sei grundsätzl­ich wichtig und richtig. Gleichwohl sieht Lindig einigen Erneuerung­sbedarf. Aufgrund multikultu­reller Veränderun­gen in der Gesellscha­ft sei der Hochschulb­eitrag zu dieser tiefgründi­g zu überdenken, nicht nur, aber doch vor allem jener zur Bedeutung von Kunst und Kultur.

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THOMAS MÜLLER Anne-Kathrin Lindig mit ihren Professore­n-Kollegen Andreas Lehmann (links) und Thorsten Johanns im Mozart-Quintett.
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HfM-Präsident Christoph Stölzl applaudier­t seiner Nachfolger­in.

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