Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Auf den Spuren der Kunst
Maler sind bisweilen auch gute Entdecker: Oft siedelten sie sich an Orten an, die später zu Tourismuszielen wurden
Nicht ausschließlich, aber doch oft waren Maler, Schriftsteller und andere Künstler die ersten, die besonders idyllische Orte für sich ausmachten. Licht und eine besonders reizvolle Natur spielten dabei meist eine große Rolle. Deswegen entstanden die Künstlerkolonien nicht selten im 19. Jahrhundert, als Freilichtmalerei zum Trend wurde und die oft armen Maler zugleich herausfanden, dass man auf dem Land billiger lebte als in der Stadt.
Worpswede Künstlerdorf mit Ambitionen
Die Künstlerkolonie Worpswede liegt ungefähr eine halbe Stunde Autofahrt nordöstlich von Bremen in einer flachen Moorlandschaft. Es ist eine herbe Umgebung mit hohem Himmel. Um den Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler versammelte sich hier schon um 1900 herum ein beachtlicher Kreis von Malern, Bildhauern und Schriftstellern, darunter beispielsweise Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Frau Paula Modersohn-Becker, Fritz Overbeck und Autoren wie Rilke, der hier seine künftige Ehefrau – die Bildhauerin Clara Westhoff – kennenlernte. Hauptanziehungspunkte des Ortes sind Barkenhoff, das Vogeler als Wohnhaus und Atelier für sich entwarf, sowie die Gebäudegruppe aus Ausstellungsfläche Große Kunstschau und Café. Allein die expressionistische Architektur ist ziemlich einmalig, die Kunst sowieso.
Vermutlich wäre das verwunschene Dorf im Wald von Fontainebleau, etwa 60 Kilometer südlich von Paris, noch heute unentdeckt, wenn nicht eine ganze Schule berühmter
Maler seinen Namen tragen würde. 1830 bezog der Landschaftsmaler Théodore Rousseau 1830 hier Quartier, um zu arbeiten. Ihm folgten andere, allesamt sogenannte Realisten wie Jean-François Millet, Gustave Courbet und Camille Corot. Sie haben dem Impressionismus den Weg bereitet. Wer Barbizon besucht, hat die Chance, einige Künstlerwohnungen zu besichtigen. So ist das Museum von Barbizon im Gasthaus Ganne, in dem viele Maler einst logierten, sowie im Wohnhaus von Rousseau untergebracht. Auch Millets Atelier kann man besuchen.
Honfleur: Wiege der Impressionisten
Das Hafenstädtchen Honfleur an der Seine-Mündung in der Normandie hat es nie geschafft, wie die Nachbarstadt le Havre ein bedeutendes Wirtschaftszentrum zu werden. Dafür aber hat die Kleinstadt bis heute ihre pittoreske Urbanität erhalten. Zugleich entwickelte sie sich zu einer der Geburtsstätten des Impressionismus. Hier wurde 1824 der Freiluft- und Küstenmaler Eugène Boudin geboren, dem ein ganzes Museum gewidmet ist. Größen wie Gustave Courbet, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir oder Paul Cézanne stiegen bevorzugt im Bauernhof Ferme St-Siméon ab, der inzwischen eine Luxusherberge ist. Für Claude Monet waren die raue Atlantikküste und die schmalen Häuserzeilen Honfleurs beliebte Motive. 1917 entstand das bekannte Bild vom Hafen von Honfleur.
Die mittelalterliche Stadt thront malerisch auf einem Hügel, geschützt von einer dicken Stadtmauer. Marc Chagall verbrachte ab 1966 seine letzten 20 Jahre hier. Doch bereits ehe der Großkünstler in das provenzalische Nest zog, traf sich die Szene gerne im Gasthaus La Colombe d’Or. Neben Chagall hinterließen auch Picasso und Matisse Skizzen. Zugleich feierten während des Filmfestivals im nahen Cannes Stars wie Lino Ventura in der „Goldenen Taube“. Und eines der grPaare des französischen Films traf sich hier zum ersten Mal: Yves Montand und Simone Signoret.