Thüringische Landeszeitung (Erfurt)
Für tiefgründige Gespräche drei Generationen einer Familie gesucht
Forschung mit dem gewissen Klick. Ostdeutsche im Fokus rund um Werte und deren Vermittlung von den Großeltern bis zu den Enkeln
Weimar/Halle. Es gibt so vieles, worüber sich Familienmitglieder einmal austauschen könnten – und was doch nicht ausgesprochen wird. Und es gibt Themen, die immer wieder zum Streit einladen.
Wer Interesse hat, über Werte und Normen, Traditionen und Brüche über die Generationen hinweg zu sprechen, der findet in dem Projekt von Hagen Findeis eine gute Möglichkeit zum wissenschaftlich begleiteten Austausch. Das Vorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
Findeis, der einst bei der Stiftung Ettersberg in Weimar arbeitete, ist Projektleiter an der Uni Halle-Wittenberg im Forschungszentrum Religiöse Kommunikation in der Säkularität. Das macht deutlich, dass sich nicht nur durch und durch dem Christentum verbundene Familien angesprochen fühlen sollen.
Findeis und sein Team hoffen auf unterschiedlich geprägte Gesprächspartner. Eine Rolle bei alledem spielen Einwegkameras. Mit ihnen sollen typische, aber auch besondere Momente des Familienlebens festgehalten werden. Die so entstandenen Bilder spielen im moderierten Gespräch eine Rolle.
Wie Werte in Familien entstehen und sich verändern, ist bislang wenig untersucht. „Familien sind hochgeschätzt, es gibt aber nur wenig qualitative empirische Familienforschung, speziell zu religiösen Bezügen. Das liegt daran, dass Familie ein sehr intimes Thema und ihre Erforschung besonders voraussetzungsvoll ist“, weiß Findeis.
Zwar gebe es viele Statistiken, etwa zu Anzahl der Familienmitglieder, Herkunft, Bildungsgrad, Einkommen, weil das gemessen oder abgefragt werden kann. Doch die Prozesse, die innerhalb einer Familie ablaufen und ihr Selbstverständnis ausmachen, werden dabei nicht beschrieben, weiß der Wissenschaftler. Viele große Themen würden zum Beispiel beim Familienessen ausgehandelt – von Fragen zum Umgang mit Geflüchteten bis zur Religion. Nur weil hier womöglich konträre Meinungen aufeinandertreffen, bedeute das nicht zwangsläufig eine Spaltung. Schließlich hätten Familien eine gemeinsame Geschichte, einen gemeinsamen Kern, so der Forscher. Warum bestimmte Themen ausgespart werden und welche Folgen das hat, wird ebenfalls zu erforschen sein. Thema ist auch, welche Rolle Glauben in ostdeutschen Familien spielt, wie er entsteht und wie er sich verändert, gerade auch mit Blick auf die DDR- und Nach-DDR-Generationen.
Um möglichst vielfältige und authentische Antworten zu erhalten, untersucht das Projekt keineswegs nur Familien mit bibelfesten Christen. „Wir wollen der Alltagsrelevanz von Religion im Familienleben nachspüren. Das ist sehr subtil und es wäre falsch, nur christliche Familien zu untersuchen oder den Fokus darauf zu legen“, sagt Findeis. „Wir suchen Dreigenerationen-Familien ostdeutscher Herkunft, bei denen die Großeltern und Eltern ihr Leben möglichst überwiegend in Ostdeutschland beziehungsweise der DDR verbracht haben. Die dritte und damit jüngste Generation – am besten zwischen 14 und Mitte 20 – muss nicht unbedingt im Osten leben“. Das Wichtigste ist das Interesse an so einem Projekt innerhalb der Familie – und das muss sicherlich erst einmal generationsübergreifend ausgelotet werden. Findeis freut sich über Anfragen: