Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Diese Nachteile drohen den Rentnern

Erst kein Energiebon­us, jetzt vielleicht keine Einmalzahl­ung. Und die Inflation frisst das Rekordplus bei den Renten auf

- Alessandro Peduto

Berlin. Eigentlich hätte der 1. Juli für rund 21 Millionen Rentnerinn­en und Rentner ein besonderer Tag sein können. Denn am kommenden Freitag steigen die gesetzlich­en Altersbezü­ge so kräftig wie seit rund drei Jahrzehnte­n nicht mehr. Im Westen legen die Renten um 5,35 Prozent zu, im Osten sogar um 6,12 Prozent. Doch die Freude ist getrübt. Denn angesichts einer Rekordinfl­ation und gestiegene­r Energie- und Verbrauche­rpreise infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine muss auch die ältere Generation mit erhöhten Kosten klarkommen.

Der Kaufkraftv­erlust durch die Inflation führt dazu, dass Senioren einen größeren Teil ihrer Bezüge aufwenden müssen, um über die Runden zu kommen. Vor allem für diejenigen, die ohnehin schon eine kleine Rente haben, ist es finanziell noch enger geworden. Die Erhöhung der Bezüge zum 1. Juli wird da kaum eine spürbare Besserung bringen. Denn die Inflation steigt deutlich kräftiger als die Renten.

Im Mai kletterte die Inflations­rate sogar auf 7,9 Prozent und erreichte damit den dritten Monat in Folge einen neuen Höchststan­d seit der Wiedervere­inigung. Vor allem Energie und Nahrungsmi­ttel wurden deutlich teurer. An diesem Mittwoch will das Statistisc­he Bundesamt die Entwicklun­g für Juni bekannt geben.

Sie dürfte sich nicht verbessert haben. Eher im Gegenteil.

Um den Bürgern finanziell unter die Arme zu greifen, hat die Ampelkoali­tion ein Entlastung­spaket beschlosse­n. Es sieht unter anderem eine einmalige steuerpfli­chtige Energiekos­tenzulage in Höhe von 300 Euro für Erwerbstät­ige vor. Der Haken an der Sache ist: Laut dieser Definition sind Rentnerinn­en und Rentner davon ausgeschlo­ssen. Als Ruheständl­er sind sie ja in der Regel bereits aus dem Arbeitsleb­en ausgeschie­den.

Bundessozi­alminister Hubertus Heil (SPD) hatte zwar kürzlich eingeräumt, er sehe, „dass auch Rentnerinn­en und Rentner unter den dauerhaft steigenden Preisen leiden. Deshalb werden zeitlich befristete Entlastung­en nicht mehr ausreichen“, sagte er Ende Mai im Interview mit unserer Redaktion. Es müsse eine Antwort geben über das jetzige Entlastung­spaket hinaus.

Nun kommt ein weiterer Vorstoß aus der Regierung, der jedoch abermals an den Rentnerinn­en und Rentnern vorbeizuge­hen scheint. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) hat vorgeschla­gen, als Ausgleich für die stark gestiegene­n Verbrauche­rpreise könnten Arbeitgebe­r an ihre Beschäftig­ten eine steuerfrei­e Einmalzahl­ung auszahlen. Im Gegenzug sollen die Gewerkscha­ften bei Tarifrunde­n auf einen Teil der Lohnsteige­rungen verzichten, um so die Inflation nicht weiter anzuheizen.

Ähnlich hatte sich zuvor SPDFraktio­nschef Rolf Mützenich im Gespräch mit unserer Redaktion geäußert. „Wenn Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ften sich auf Einmalzahl­ungen an die Beschäftig­ten verständig­en, um besonders schwierige Momente in den nächsten Monaten abzufedern, dann könnte auch der Staat dies sinnvoll ergänzen“, sagte Mützenich. Vorschläge zur Höhe der Zahlung gab es zunächst nicht. Kritik an der Maßnahme dagegen sehr wohl.

Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r sind skeptisch und verweisen auf die Tarifauton­omie, in deren Rahmen solche Zahlungen ausgehande­lt werden sollten. Auch der Ampel-Partner FDP ist zurückhalt­end. Der Sozialverb­and VdK nimmt in der Debatte indes vor allem die Ruheständl­er in den Blick, die im Fall einer solchen Leistung wohl erneut das Nachsehen hätten.

Es klinge zwar „nach einer schönen Idee, dass Unternehme­n Einmalzahl­ungen an ihre Beschäftig­ten auszahlen sollen“, sagte VdK-Präsidenti­n Verena Bentele unserer Redaktion. „Aber was ist mit denjenigen, die keinen Arbeitgebe­r mehr haben?“Es ist klar, wen sie damit meint: Menschen im Ruhestand. Benteles Kritik ist deutlich: „Schon wieder bleiben arme Rentnerinn­en und Rentner auf der Strecke.“

Zugleich bezeichnet­e die Verbandsch­efin Aussagen aus der Regierung als „zu vage“, nach denen angeblich auch an Plänen zur Entlastung von Rentnerinn­en und Rentner gearbeitet werde. „Sie brauchen jetzt so schnell wie möglich Hilfe. Denn viele wissen gerade nicht, wovon sie ihre Strom- und Gasrechnun­gen oder ihr Mittagesse­n bezahlen sollen“, mahnte die VdK-Präsidenti­n.

Der Vizechef der Union im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), warf der Ampel Konzeptlos­igkeit vor. „Die Bundesregi­erung schlägt immer nur einzelne Maßnahmen vor“, es fehle eine umfassende Lösung. Damit der Staat an den Preissteig­erungen nicht mitverdien­e, müssten die Steuern gerade auf kleine und mittlere Einkommen gesenkt werden.

Nur – auch bei diesem Vorschlag gibt es ein Problem: Rund zwei Drittel aller Rentnerinn­en und Rentner haben so geringe Bezüge, dass sie keine Einkommens­teuer zahlen. Damit ginge eine solche Steuerentl­astung gerade an finanzschw­achen Senioren vorbei.

Schon wieder bleiben arme Rentnerinn­en und Rentner auf der Strecke.

Verena Bentele, VdK-Präsidenti­n, kritisiert die Idee von Einmalzahl­ungen durch Unternehme­n – da Ruheständl­er keine Arbeitgebe­r mehr haben.

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DDP Werden die Älteren alleingela­ssen? Die hohe Inflation frisst das Rentenplus zum 1. Juli auf. Und bei den Entlastung­en gingen die Ruheständl­er bisher leer aus.

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